Weder Merkel noch Sarkozy
waren die Akteure dieser Woche, sondern Tief "Sabrina"
über dem Baltikum und Tief "Tine" über Norditalien.
Beide griffen so massiv in die Biosphäre ein, dass sich in den
Wolken feinste Tröpfchen unterkühlten Wassers an Kristallisationskeimen
anlagerten und dort gefroren. Die entstandenen Eiskristalle
(siehe Bild), weniger als 0,1 mm gross, fielen durch zunehmendes
Gewicht nach unten und wuchsen durch den Unterschied des Dampfdrucks
zwischen Eis und unterkühltem Wasser weiter an.
Auch
resublimierte der in der Luft enthaltene Wasserdampf, ging also
ddirekt in Eis über und trug damit zum Kristallwachstum bei,
Es bildeten sich sechseckige Formen. Wegen der besonderen Struktur
der Wassermoleküle waren dabei nur Winkel von 60 Grad bzw. 120
Grad möglich. Mit einem Wort: Es schneite. Der Schnee
ist ja von jeher ein williger Bettgenosse von Hobbylyrikern,
er liefert schwülstige Verwehungen und eisige Metaphern. In
den Zeitungsredaktionen wird Schnee als Dämon des Strassenverkehrs
wahrgenommen, das Schreiben aber macht er schwer, weil viele
Sätze gefrieren, noch ehe sie aufs Papier kommen. Wie leicht
wäre es doch, wenn man Schneeketten statt Sätze aneinanderreihen
könnte! Gäbe es einen journalistischen Räumdienst, der die ganze
Gedankenblockade beiseite schöbe und ein paar Pointen ausstreute,
wir würden ihn jetzt herbeitelefonieren. So aber fragen wir
ein paar Prominente nach ihren schönsten Schneeerlebnissen,
damit diese Spalte gefüllt wird:

Guido
Knopp: Vor Jahren stellten wir die Schlacht von Stalingrad
fürs Fernsehen nach. Wenn damals der Schnee drei Tage später
gekommen wäre, hätten wir den Ausbruch aus dem Kessel gewagt.
Dann hätte ich endlich Geschichte neu schreiben können. So blieb
alles im historischen Gedankenschlamm stecken.
Johannes
Heesters: Damals drehte ich mit Rühmann "Drei Penner
im Schnee", oder war's doch die Fledermaus, "Täubchen,
das ich oft geküsst, lass dich wieder fangen", ja das waren
noch Zeiten und überhaupt hatte der Führer auch seine netten
Seiten, wird ja heute alles nur negativ, wenn ich bitte jetzt
meine Suppe haben könnte ...
Ivo
Batic, Tatortjugoslawe: Als ich in der Verfilmung des Schweden-Thrillers
"Frau Chinchilla berührt den Schnee" mitspielte, musste
ich hinreissende Liebesszenen mit meiner Partnerin drehen, die
dabei erfror. Die schlechten Kritiken sass ich danach im heissen
Wasserbad aus. Seitdem kann ich nur noch ins Kino gehen, wenn
ich Wärmesalbe auftrage.
Joachim
Fuchsberger: Ach, der erste Schnee nach dem Krieg. Wir sendeten
unsere Shows aus einer Waschküche in Unterföhring. Das ewige
Geriesel auf dem Bildschirm! Zu jedem Zuschauer mussten wir
nach Hause, um die Mattscheibe freizukratzen. Aber jetzt kommt
ja Gott sei Dank der Klimawandel.
Konstantin
Wecker: Schön war das damals im Schwabinger Hochsommer,
als der erste kühle Wind aus dem fernen Osten uns den Schnee
direkt in die Nase pustete und sich die eine oder andere Dachlawine
aus dem Kleinhirn löste. Das schreibst aber net auf, gell!
Makoto
Kobayashi, Nobelpreisträger: Schneeflocken sind für mich
nichts anders als Wassertröpfchen, die zu Boden fallen, und
dabei die Tendenz entwickeln, sich einzuholen. Forsche seit
Jahren an fraktalen Formen wie Schneekristallen. Aber immer,
wenn ich sie ins Labor bringe, zerrinnen sie wieder zu Matsch.
Wenn wir dieses Problem lösen, ist der Klimawandel kein Thema
mehr.
Michael Kemmer, Chef der BayernLB:
Ich geniesse den Schnee richtig, weil dabei fast alle Kontobewegungen
einfrieren. Ausserdem riecht man die faulen Kredite aus dem
Keller nich mehr so stark.
So, damit
hätten wir es beinahe geschafft. Jetzt ist es an Ihnen, liebe
Leser, ein paar schöne Gedanken zum Schnee zu Papier
zu bringen. Benutzen Sie bitte Worte wie Kristall, Stille, Kerzenschein,
Sehnsucht, Wärme. Wenn uns das Ergebnis trotz aller Schneeverwehungen
erreicht, drucken wir es vielleicht. |