Die ganze Welt wurde diese
Woche Zeuge einer dramatischen, ja historischen Wahlnacht, deren
Ausgang niemand für möglich gehalten hätte. Nach einem hochemotionalen
und mit harten Bandagen geführten Wahlkampf, nach zahllosen
Grossveranstaltungen und Rededuellen konnte sich der nordkoreanische
Regierungschef Kim Jong Il (siehe Bild) als neuer Präsident
bestätigen lassen. Kim zählte persönlich die beiden Wahlkreise
seines Landes aus und musste lange um das Ergebnis zittern.
Doch am Ende bestand kein Zweifel: Der "geliebte Führer"
hatte sich wieder einmal gegen sich selbst durchgesetzt.

Am
Ende siegte wohl Kims neues Image als patriarchalischer und
fürsorglicher Landesherr, das durch die Frisur symbolisiert
wird, unter der sich viele Nordkoreaner in Zeiten der Finanzkrise
zusammendrängten. Das war nicht zu erwarten. Kolportierten Kims
politische Gegner doch, dass sein Uniformschneider täglich
die dreifache Ration Reis verdient und der leistungsstarke
Haarföhn des Regierungschefs morgens zu dem gewohnten halbstündlichen
Stromausfall im ganzen Land führt. Kiem liess sich nicht beirren.
Mit dem Slogan "hoi an hoi an" (ungefähr: "alle
sitzen im einem Lager") gewann er die Herzen der wenigen
Wähler für sich, die noch die Kraft hatten, den Bleistift zu
heben. Schon früh am Morgen bildeten sich lange Schlangen an
den Wahllokalen, umso mehr, nachdem durchsickerte, es gebe für
jede Stimme einen Tropfen Lampenöl. Dennoch dauerte es lange,
bis der Westen vom Triumph Kims erfuhr. Erst jetzt kamen die
Bilder der Wahlnacht, die per Flaschenpost entsandt wurden,
in der CNN-Zentrale im fernen Amerika an. Man vermutet, dass
die Wahl etwa sieben Jahre zurückliegt.
Entscheidend
für den Wahlausgang war die Frage, ob es einzelnen Bürgern im
Land gestattet sein sollte, noch frei herumzulaufen. Kims Herausforderer
profilierte sich hier mit einem leidenschaftlichen Plädoyer
für ein hummanes Strafrecht. Die Todesstrafe sollte nur noch
bei schweren Delikten wie der Spaltung von Reiskörnern zu kommerziellen
Zwecken oder dem öffentlichen Ausspucken verhängt werden.
Kim dagegen riss mit der Forderung, die Strafmündigkeit auf
sechs Monate zu senken, die konserativen Wähler auf seine Seite.
In ganz Nordkorea versammelten sich die Menschen zu spontanen
Jubelfeiern. Viele hatten Tränen in den Augen. "Ich glaube
jetzt, dass wir ein Fernsehprogramm bekommen, das länger als
eine Stunde sendet", rief eine Frau. Eine andere hoffte,
ihre Söhne jetzt zur Zwangsarbeit in den URanbergbau schicken
zu können, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Auch
die versöhnliche Rede seines Kontrahenten fand Applaus: Er werde
nicht sein ganzes Wahlkampfteam, sondern nur den Chefberater
erschiessen lassen.
Der Wahlsieg Kims
wurde weltweit begrüsst: "Er ist schon ziemlich kuhl",
sagte Angela Merkel laut Redetext: "Wenn er zu uns kommt,
muss er die Uniformhosen herunterlassen", so Wladimir Putin.
Karl Lagerfeld: "Mich fasziniert seine krude, zugleich
feinsinnige Maskulinität." Bei Suhrkamp plant man, Kims
autobiografischen Roman "Der Reisbauer und die Atomrakete"
neu aufzulegen. US-Präsident Obama betonte, wie sehr ihn Kims
Strategie, die Finanzkrise durch forcierten Gemüseanbau zu bewältigen,
beeinflusst habe. Apropos Obama: Uns erreichten diese Woche
verschwommene Nachtaufnahmen, die belegen, das er zum US-Präsidenten
gewählt wurde. Aber das muss schon Jahre her sein. |