Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. November 2008)
 

   Die ganze Welt wurde diese Woche Zeuge einer dramatischen, ja historischen Wahlnacht, deren Ausgang niemand für möglich gehalten hätte. Nach einem hochemotionalen und mit harten Bandagen geführten Wahlkampf, nach zahllosen Grossveranstaltungen und Rededuellen konnte sich der nordkoreanische Regierungschef Kim Jong Il (siehe Bild) als neuer Präsident bestätigen lassen. Kim zählte persönlich die beiden Wahlkreise seines Landes aus und musste lange um das Ergebnis zittern. Doch am Ende bestand kein Zweifel: Der "geliebte Führer" hatte sich wieder einmal gegen sich selbst durchgesetzt.



   Am Ende siegte wohl Kims neues Image als patriarchalischer und fürsorglicher Landesherr, das durch die Frisur symbolisiert wird, unter der sich viele Nordkoreaner in Zeiten der Finanzkrise zusammendrängten. Das war nicht zu erwarten. Kolportierten Kims politische Gegner doch, dass sein Uniformschneider täglich die dreifache Ration Reis verdient und der leistungsstarke Haarföhn des Regierungschefs morgens zu dem gewohnten halbstündlichen Stromausfall im ganzen Land führt. Kiem liess sich nicht beirren. Mit dem Slogan "hoi an hoi an" (ungefähr: "alle sitzen im einem Lager") gewann er die Herzen der wenigen Wähler für sich, die noch die Kraft hatten, den Bleistift zu heben. Schon früh am Morgen bildeten sich lange Schlangen an den Wahllokalen, umso mehr, nachdem durchsickerte, es gebe für jede Stimme einen Tropfen Lampenöl. Dennoch dauerte es lange, bis der Westen vom Triumph Kims erfuhr. Erst jetzt kamen die Bilder der Wahlnacht, die per Flaschenpost entsandt wurden, in der CNN-Zentrale im fernen Amerika an. Man vermutet, dass die Wahl etwa sieben Jahre zurückliegt.

   Entscheidend für den Wahlausgang war die Frage, ob es einzelnen Bürgern im Land gestattet sein sollte, noch frei herumzulaufen. Kims Herausforderer profilierte sich hier mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für ein hummanes Strafrecht. Die Todesstrafe sollte nur noch bei schweren Delikten wie der Spaltung von Reiskörnern zu kommerziellen Zwecken oder dem öffentlichen Ausspucken verhängt werden. Kim dagegen riss mit der Forderung, die Strafmündigkeit auf sechs Monate zu senken, die konserativen Wähler auf seine Seite. In ganz Nordkorea versammelten sich die Menschen zu spontanen Jubelfeiern. Viele hatten Tränen in den Augen. "Ich glaube jetzt, dass wir ein Fernsehprogramm bekommen, das länger als eine Stunde sendet", rief eine Frau. Eine andere hoffte, ihre Söhne jetzt zur Zwangsarbeit in den URanbergbau schicken zu können, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Auch die versöhnliche Rede seines Kontrahenten fand Applaus: Er werde nicht sein ganzes Wahlkampfteam, sondern nur den Chefberater erschiessen lassen.

   Der Wahlsieg Kims wurde weltweit begrüsst: "Er ist schon ziemlich kuhl", sagte Angela Merkel laut Redetext: "Wenn er zu uns kommt, muss er die Uniformhosen herunterlassen", so Wladimir Putin. Karl Lagerfeld: "Mich fasziniert seine krude, zugleich feinsinnige Maskulinität." Bei Suhrkamp plant man, Kims autobiografischen Roman "Der Reisbauer und die Atomrakete" neu aufzulegen. US-Präsident Obama betonte, wie sehr ihn Kims Strategie, die Finanzkrise durch forcierten Gemüseanbau zu bewältigen, beeinflusst habe. Apropos Obama: Uns erreichten diese Woche verschwommene Nachtaufnahmen, die belegen, das er zum US-Präsidenten gewählt wurde. Aber das muss schon Jahre her sein.
 

 

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