Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. November 2008)
 

   Auf dem Weg in die Redaktion hat ein beherzter Kollege aus dem Ressort "Lifestyle, Diät und Sonnenenergie" dieser Tage einen verwirrt über die Bundesstrasse torkelnden Automobilverkäufer eingefangen, mit einer halben Flasche lauwarmem Bommerlunder beruhigt, im eine Curry Spezial an der Bude gekauft und ihn mit ins Büro genommen. Der dankbare, aber nur nachlässig geduschte Bernd-Joachim P. erklärte dem eilends herbeizitierten Kollegen des Ressorts "Automobile Träume" den Grund seines emotionalen Zusammenbruchs.

   P. schwenkte weinend ein Stück Papier. Nach dieser internen Vorgabe seines Tschi-Ohs sollte er bis Ende des Jahres noch 75 Oberklasse-Limousinen "im Markt unterbringen". P. erklärte, dass dies unmöglich sei. Karossen, die mehr als zwei Tonnen wiegen und 20 Liter Super Plus brauchen, seien derzeit allenfalls im Ruinös-Leasing wegzubekommen, also maximal 50 Euro im Monat, ohne Anzahlung, dafür mit zwei Jahren freiem Tanken, mit Winterreifen auf handgeölten Alufelgen und einem 14-tägigen Gratis-Wellnessurlaub für die Gemahlin. Den EInwurf eines Kollegen aus dem Ressort "Pharmazie und Leibesübungen" die "Karren" doch an Profikicker zu verkaufen, kontert Hans-Joachim P. mit dem Hinweis, dass es davon weniger als 75 im Umland gebe und die für ihre Autos eh noch nie mehr gezahlt hätten als maximal einen Fuffi pro Monat.

   Keine Frage, harte Zeiten. Die Wirtschaft präsentiert sich als globales Verwirrspiel, das keiner mehr versteht. In den Luxusabteilungen der Kaufhäuser balgen sich bärtige Alt-68er um die letzten Ed-Hardy-Strass-Jeans (279 Euro), nur weil ihnen Oma 1975 zum Beginn ihres Sozologiestudiums 500 VW-Aktien mit auf den Weg gegeben hat. Die haben sie am vergangenen Dienstag am frühen Nachmittag im Markt untergebracht und danken jetzt der Omi und Porsche. Im Schatten der Kauftempel streifen derweil verhärmte Daimler-Schaffer mit Pilzkörben durchs Gehölz, um ihre Familien die letzten frischen Beilagen des Jahres zu sammeln.



   Bevor P. die gut beheizte Redaktion verlässt, bekommt er noch Trost von einem Fachredakteur des Ressorts "Wirtschaft und gewerbmässige Umtriebe". Man müsse sich langsam von der Idee verabschieden, dass erfolgreiches Wirtschaften etwas mit Verkaufen zu tun habe. Vorbei. Das Erfolgsrezept für alle, die nicht Kerner heissen oder kicken können, heisst Sparen, bis die Schwarte schmilzt. Sparpotenziale gebe es noch genug, sagt unser Experte, auch wenn die sich mehr und mehr zusammenrotten und im Fernsehen rumjammern. Schlauen Sparern entgeht aber nichts, und so werden diese Herren zu den neuen Königen.

   Selbst bei einem einfachen Saisonartikel wie dem gemeinen Dominostein sei noch genug rauszuholen, um sich bei einem Kilopreis von nur noch 39 Cent dumm und dusselig zu verdienen. Und die Leute würden satt. Man müsste das Zeug nur vollautomatisch aus einer Melange von Verschnitt-Marzipan aus dem Senegal und einer Zucker gepeppten dunklen Schliere aus litauischen Schlachtabfällen herstellen. Beide Ingredienzen seien auf dem Weltmarkt derzeit günstig zu haben. Der Absatz wäre enorm, der hochwertige, aber teure Dresdner Stollen (siehe Bild) stünde vor dem sicheren Aus - sagt unser Experte.

   Der gebeutelte Autoverkäufer verliess beruhigt und mit klarem Sparziel das Haus. Er würde die Karossen gesundsparen. Motoren kosten eh nur Geld und machen Dreck.
 

 

Zurück