Sie lassen sich nicht von
verrammelten Türen und heruntergelassenen Rolläden abschrecken,
mit Beleidigungen können sie umgehen. Die Zweierteams, die seit
dieser Woche durch die deutschen Bankenviertel gehen, sind einiges
gewöhnt. Ihr Job: Jene Betrüger unter den Bankmanagern ausfindig
zu machen, die sich staatliche Hilfe aus dem Hartz-V-Rettungspaket
erschleichen wollen. Wie viele der Kontrolleure im Einsatz sind,
weiss niemand, wir haben zwei von ihnen begleitet.
Früher
Morgen in Frankfurt. Oswald S. und Sabine H. sind schon
unterwegs. "Nur so kriegen wir unsere Kunden, weil - danach
sind sie meist in irgendeiner Sushibar oder auf dem Golfplatz."
Sie erreichen ein gesichtsloses Bürogebäude. In der muffigen
Schalterhalle riecht es nach Kohl. Der Lift rumpelt in den 456.
Stock. Durch zerbrochene Scheiben pfeift der Wind, flackernde
Neonröhren erhellen die Chefetage. Bankvorstand Jean Bl. brät
ein Spiegelei auf dem Campingkocher. "Sie müssen uns nicht
reinlassen", betont Oswald S. "Doch, doch, kommen
Sie nur." Die Kontrolleure sehen sich prüfend um: Fototapete,
Sitzbank, Resopaltisch und Kaffeemaschine (verkrustet). ""Sie
wollen also 4,5 Milliarden Soforthilfe?" - "Unbedingt",
so d er Banker, "nur um die nötigsten Anschaffungen zu
tätigen." - "Was brauchen Sie denn?" - "Zunächst
einen Dienstwagen und ein ordentliches Bonusprogramm. Dann zweireihige
Anzüge, frische Blumen und ein, zwei Sekretärinnen." -
"Tja, ich weiss nicht, ob wir das genehmigen können."
Der Manager nimmt einen tiefen Schluck aus der Cognacflasche.
Seine Augen sind wässrig. "Dann ist alles aus." Sabine
H. notiert: Schlafcouch vorhanden, Heizung funktioniert. Keine
Sekretärin. "Also gut: Zunächst drei Milliarden. Hier quittieren
Sie!" - "Nur drei?" - "Damit kaufen Sie
sich erst mal was Anständiges zum Anziehen." Die Tür fällt
ins Schloss.
Eine halbe Stunde später.
Das Team klingelt am Portal einer weiteren Bankkathedrale.
"Herr Acker...?" - "Ja?", fällt ihnen eine
Stimme ins Wort. - "Josef mit f?" - "Ja, was
wollen Sie?" - "Hartz-V-Kontrolle. Wir würden Sie
gerne sprechen." - "Geht zum Teufel! Ich will nichts
von euch!" - "Aber wir ..." - "Haut ab oder
..." Im 3456. Stock sieht man einen Schatten mit einem
Schweizer Messer herumfuchteln. Die Kontrolleure bringen sich
in Sicherheit. "So ist es oft", seufzt Oswald S. "Viele
Bedürftige flüchten sich in einen falschen Stolz. Dabei steht
ihnen das Geld ja zu. Aber lieber gehen sie vor die Hunde."
Dabei seien nicht alle Betrüger. "Viele haben einfach den
Überblick über ihre Finanzen verloren. Und wenn so ein älterer
Mann mit fremdländischen Akzent um einen Kredit nachsucht, sich
dann herausstellt, dass er aus dem verrufensten Bankenviertel
stammt, gehen natürlich alle Lichter aus."

Dritte
Station - eine internationale Ratinagentur. Ein verschlafener
Mann im Unterhemd (siehe Bild) öffnet. "Ich Milliardenhilfe?
Wozu?" Er lacht bitter: "Ich brauche meine Rolläden
gar nicht mehr hochzuziehen." Er ruft nach hinten: "Jeanine,
hast du zwei Milliarden Stütze beantragt?" Eine hochschwangere
Blondine taucht auf und zuckt die Schultern. "Einer muss
es ja machen. Wovon sollen wir denn leben. Heizkosten für das
12-Zimmer-Loft, Biogemüse, Babysitz für den Geländewagen, Anwaltskosten
von 485 Millionen, und, und, und." Die Kontrolleure notieren:
Absolut nichts vorhanden! "Sie bekommen schnelle und unbürokratische
Hilfe", beruhigen sie das Paar. Der Mann küsst die Hand
der Kontrolleurin. In seinen Augen stehen Tränen.
Auf
ihren Touren erleben die Hartz-V-Teams ganz real, was die Finanzkrise
aus Deutschland gemacht hat: Arm und reich klaffen dramatisch
auseinander. "Irgendwie tun mir die Banker leid",
meint Sabine H. "Haben immer hart gearbeitet. Und jetzt
zieht man ihnen den Boden unter den Füssen weg" - "Zugleich
betrügen Hunderttausend Arbeitsscheue den Staat, erschwindeln
sich Waschmaschinen, Klamotten, Kinderbetten und Fernseher.
Da müsste man mal schärfer kontrollieren", erregt sich
Oswald S. Über Frankfurt geht die Sonne unter. |