Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. Oktober 2008)
 

   Sie lassen sich nicht von verrammelten Türen und heruntergelassenen Rolläden abschrecken, mit Beleidigungen können sie umgehen. Die Zweierteams, die seit dieser Woche durch die deutschen Bankenviertel gehen, sind einiges gewöhnt. Ihr Job: Jene Betrüger unter den Bankmanagern ausfindig zu machen, die sich staatliche Hilfe aus dem Hartz-V-Rettungspaket erschleichen wollen. Wie viele der Kontrolleure im Einsatz sind, weiss niemand, wir haben zwei von ihnen begleitet.

   Früher Morgen in Frankfurt. Oswald S. und Sabine H. sind schon unterwegs. "Nur so kriegen wir unsere Kunden, weil - danach sind sie meist in irgendeiner Sushibar oder auf dem Golfplatz." Sie erreichen ein gesichtsloses Bürogebäude. In der muffigen Schalterhalle riecht es nach Kohl. Der Lift rumpelt in den 456. Stock. Durch zerbrochene Scheiben pfeift der Wind, flackernde Neonröhren erhellen die Chefetage. Bankvorstand Jean Bl. brät ein Spiegelei auf dem Campingkocher. "Sie müssen uns nicht reinlassen", betont Oswald S. "Doch, doch, kommen Sie nur." Die Kontrolleure sehen sich prüfend um: Fototapete, Sitzbank, Resopaltisch und Kaffeemaschine (verkrustet). ""Sie wollen also 4,5 Milliarden Soforthilfe?" - "Unbedingt", so d er Banker, "nur um die nötigsten Anschaffungen zu tätigen." - "Was brauchen Sie denn?" - "Zunächst einen Dienstwagen und ein ordentliches Bonusprogramm. Dann zweireihige Anzüge, frische Blumen und ein, zwei Sekretärinnen." - "Tja, ich weiss nicht, ob wir das genehmigen können." Der Manager nimmt einen tiefen Schluck aus der Cognacflasche. Seine Augen sind wässrig. "Dann ist alles aus." Sabine H. notiert: Schlafcouch vorhanden, Heizung funktioniert. Keine Sekretärin. "Also gut: Zunächst drei Milliarden. Hier quittieren Sie!" - "Nur drei?" - "Damit kaufen Sie sich erst mal was Anständiges zum Anziehen." Die Tür fällt ins Schloss.

   Eine halbe Stunde später. Das Team klingelt am Portal einer weiteren Bankkathedrale. "Herr Acker...?" - "Ja?", fällt ihnen eine Stimme ins Wort. - "Josef mit f?" - "Ja, was wollen Sie?" - "Hartz-V-Kontrolle. Wir würden Sie gerne sprechen." - "Geht zum Teufel! Ich will nichts von euch!" - "Aber wir ..." - "Haut ab oder ..." Im 3456. Stock sieht man einen Schatten mit einem Schweizer Messer herumfuchteln. Die Kontrolleure bringen sich in Sicherheit. "So ist es oft", seufzt Oswald S. "Viele Bedürftige flüchten sich in einen falschen Stolz. Dabei steht ihnen das Geld ja zu. Aber lieber gehen sie vor die Hunde." Dabei seien nicht alle Betrüger. "Viele haben einfach den Überblick über ihre Finanzen verloren. Und wenn so ein älterer Mann mit fremdländischen Akzent um einen Kredit nachsucht, sich dann herausstellt, dass er aus dem verrufensten Bankenviertel stammt, gehen natürlich alle Lichter aus."



   Dritte Station - eine internationale Ratinagentur. Ein verschlafener Mann im Unterhemd (siehe Bild) öffnet. "Ich Milliardenhilfe? Wozu?" Er lacht bitter: "Ich brauche meine Rolläden gar nicht mehr hochzuziehen." Er ruft nach hinten: "Jeanine, hast du zwei Milliarden Stütze beantragt?" Eine hochschwangere Blondine taucht auf und zuckt die Schultern. "Einer muss es ja machen. Wovon sollen wir denn leben. Heizkosten für das 12-Zimmer-Loft, Biogemüse, Babysitz für den Geländewagen, Anwaltskosten von 485 Millionen, und, und, und." Die Kontrolleure notieren: Absolut nichts vorhanden! "Sie bekommen schnelle und unbürokratische Hilfe", beruhigen sie das Paar. Der Mann küsst die Hand der Kontrolleurin. In seinen Augen stehen Tränen.

   Auf ihren Touren erleben die Hartz-V-Teams ganz real, was die Finanzkrise aus Deutschland gemacht hat: Arm und reich klaffen dramatisch auseinander. "Irgendwie tun mir die Banker leid", meint Sabine H. "Haben immer hart gearbeitet. Und jetzt zieht man ihnen den Boden unter den Füssen weg" - "Zugleich betrügen Hunderttausend Arbeitsscheue den Staat, erschwindeln sich Waschmaschinen, Klamotten, Kinderbetten und Fernseher. Da müsste man mal schärfer kontrollieren", erregt sich Oswald S. Über Frankfurt geht die Sonne unter.
 

 

Zurück