Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Oktober 2008)
 

   In diesen turbulenten Tagen verschwinden Menschen hinter nackten Zahlen und schlaffen Kurven. Doch was geht wirklich vor in den Herzen und Seelen all jener, die von heute auf morgen ihr Gesicht verloren haben? Hier das geheime Tagebuch eines ganz normalen deutschen Fondsmanagers (siehe Bild), dem seine Welt in dieser Börsenwoche abhanden kam.

   Montag, 6. Oktober. Nachmittags im Büro. Langweilig. Schaute den Fensterputzern bei der Arbeit zu. Winkewinke. Ja, ja, hätten sie halt was ordentliches gelernt. Wieder null Bock auf Telefonsex. Vielleicht weil Fräulein Dodel, meine Sekretärin, neuerdings Hosenanzüge trägt. Ins Netz gegangen, um mich abzulenken. Spielte ein wenig Partypoker, trieb beim Omaha High drei Pötte in die Höhe, stieg aber vor dem Showdown aus und bestellte nebenbei ein knappes Dutzend Zegna-Krawatten (die mit den geometrischen Mustern). Entdeckte mein scharfes Profil in den klaren Scheiben, dahinter verschwommen die erigierten Banktürme unserer Stadt. Gott, bin ich geil. Gerade, als ich mich entspsnnt hatte, rief jemand an, ein Kunde oder sowas. Der brüllte wie ein brünftigerGibbon, faselte was vom Dow Jones, der unter zehntausend gefallen sei. So ein Stress. Musste irgendwie runterkommen und bestellte bei Frau Dodel einen chinesischen Gelbtee mit minimaler Fermentation und zog eine Linie. Danach Feierabend und ab ins Gym. Puh.

   Dienstag, 7. Oktober. Ich spürte es: Irgendwas Gewaltiges passiert da draussen, aber was. In der Post fand ich ein Paket mit einem rottenden Schweinerüssel, daran ein ausgeschnittenes Foto von mir aus der Who's-Who's-Rubrik der "Financial Times". Gott, seh ich gut aus. Dann wieder dieser aggressive Kunde am Apparat. Versuchte, ihn zu beruhigen, erklärte, dass ich sein komplettes Vermögen vor einigen Minuten umgeschichtet hatte, und zwar auf Anteilscheine südisländischer Schafherden. Keine Antwort. Hörte noch einen dunpfen Schlag im Hintergrund.



   Mittwoch, 8. Oktober. Gemeinsames Frühstück im Penthouse. Ist doch schön, im Kreis der Familie. Echte Werte, darauf kommt's an. Während ich aus den Augenwinkeln unseren drei blutjungen georgischen Putzfrauen beim Simmultanpolieren unseres Ostindischen Palisanderparketts zuschaute (278 Quadratmeter, 2,50 Euro in der Stunde, kniend), verkündete ich meiner lieben Brut, dass wir nun alle kürzer treten müssen. Mein Krisenplan: Ich kündige mein Yachtmagazin-Abo und schicke meine Frau und die dreizehnjährige Tochter ab sofort auf den Strich. Widerwilliges Murren. Das kleine Luder verwies auf Merkel und irgendwelche staatliche Garantien. Vor Lachen tropfte mir das halbe Bio-Ei auf meine neue Krawatte (die mit den geometrichen Mustern). Den Verlust werde ich ihr vom Lohn abziehen. Später hüpfte der Dax auf über 5300. Na also. Das mit dem Yachtmagazin überlege ich mir nochmal.

   Donnerstag, 9. Oktober. Büro, Büro. Aus der Post stank es wieder grässlich. Las gerade schmunzelnd eine Monografie über den Dreissigjährigen Krieg, als mir Frau Dodel (wieder im Hosenanzug) richig dumm kam. Der Dax sei im freien Fall und wie ich so ruhig sein könne und so was. Ausserdem stünde so ein Typ draussen bei ihrem Tisch, mit 'ner Axt. War ich wütend! Mein Blackberry traf sie an der Schläfe. Wahrscheinlich hörte sie gar nicht mehr, wie ich sie feuerte. Nach der Flucht über die Feuerleiter wurde mir schwindelig, ich schwitzte, sah aber immer noch verdammt gut aus. Ja, ich hatte einen Fehler gemacht. Aber welchen? Zu Hause fand ich einen Zettel meiner Frau. Sie wolle zukünftig für einen anderen Fondsmanager anschaffen gehen, so ein Leben nur mit Knock-Out-Zertifikaten könne sie sich nicht mehr vorstellen. Das war's.

   Freitag, 10. Oktober. Dax wieder runter, aber bei mir ging es rauf. Bewarb mich telefonisch hier bei der Redaktion und wurde sofort genommen: Als leitender Redakteur im Ressort "Horoskop, Derivate und Krawatten". Bingo! Und mit dem Geld meiner Tochter haut das schon hin.
 

 

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