Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Juli 2008)
 

   Brauchen wir Atomkraft? Unsere Wissenschaftsredaktion hat es sich zur Pflicht gemacht, neutral und korrekt über diese Frage zu berichten, und macht ihre Leser deshalb mit Bodumil S. bekannt. Der ist technischer Leiter eines neuen zahnradgetriebenen Meilers vom Typ Kobalt K III in einem südosteuropäischen Zwergstaat (siehe Bild). Wer wüsste besser über die Chancen und Risiken jener faszinierenden Technologie Bescheid, als jemand aus dieser Region, in der die Kernforschung eine uralte Tradition hat? Schon im dritten Jahrhundert vor Hodscha pflückten Alchimisten Atomkerne, um deren wohlschmeckendes Öl in die Nahrungskette einzuspeisen. Heute ist man natürlich weiter. Wer durch die moosbewachsenen Sicherheitstüren ins Innere von Kobalt K III vordringt, staunt: Die Atomkerne werden maschinell gespalten und sauber nach Cäsium und Strontium und dem anderen Zeugs getrennt. Das Handbuch ist leicht verständlich: "Danke, dass Sie sich für Kobalt K III entschieden haben. Nach dem Anschalten kann es sein, dass Ihnen die Haare zu Berge stehen. Das ist konstruktionsbedingt und kein Anlass zur Sorge," Selbst für die Bauern des Dorfs war es ein Leichtes, die Öfen unter dem Rost des gutmütigen Siedewasserreaktors anzufeuern.



   Bodumil S. war bis vor wenigen Wochen noch Leibwächter eines lokalen Bauunternehmers und brüstet sich damit, schon die eine oder andere Kernschmelze mit blossen Händen angerührt zu haben. Seine Jungs baden täglich im schweren Wasser und schleppen die abgebrannten Brennstäbe zur Endlagerung in die benachbarte Armensiedlung. "Mit Leichtwasserreaktoren geben wir uns schon lange nicht mehr ab", erklärt er und betupft seine Brandblasen an der Oberlippe mit Ziegenbutter. "Früher hatten wir alle Mühe, die Neutronen im Zaum zu halten, doch wenn uns heute eines entwischt, melden wir das rasch über Telegraf an die nächste Polizeistation. Bisher hat noch jeder Ausreisser den Weg zurückgefunden", schmunzelt der bullige Ingenieur, auf dessen Stirn sich ein drittes Auge abzeichnet.

   Stoj! Jetzt geht es ins Allerheiligste, die Steuerzentrale. "Hier kommen nur die zuverlässigsten Kollegen rein", betont Bodumil. Die Hitze ist unerträglich, die Wachmannschaft döst in Unterhose vor den Kontrollmonitoren, die populäre Erotikfilme zeigen. Einige der Aufseher sind bereits vor ein paar tausend Jahren zu Isotopen zerfallen.

   Unsere Wissenschaftsredaktion verlässt das Kraftwerk mit einem beruhigenden Gefühl. In aller Welt arbeiten idealistische und tüchtige junge Leute daran, den Klimawandel durch Kernspaltung zu bekämpfen. "Und wenn das Wetter trotzdem nicht mitmacht, jagen wir es einfach in die Luft", so Bodumil, "unsere Dicke hier hat genügend Dampf!"
 

 

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