Dass ein knapp werdenes
Lebensmittel Anlass zur Panik und hamsterartiger Vorratshaltung
gibt, erinnert die Älteren unter uns an Hungerwinter, Missernten,
Kinderlandverschickung und herumstreunender Söldnertruppen.
Diese Albträume aus dunkler Zeit wurden zum Leben erweckt, als
in Deutschland in den vergangenen Tagen die Milch knapp wurde.
Ausgerechnet Milch (siehe Bild)! Seit ein jovialer Stoffbär
durch eine idealisierte Alpenlandschaft torkelte, um für
Bärenmarke zu werben, hat die Milch einen mythischen Charakter.
Der Mensch - ausgestattet mit dem postnatalen Saugreflex - geht
davon aus, dass Milch stets und ausreichend zur Verfügung stehen
muss. An die Stelle der gnädig dargereichten Mutterbrust gesellt
sich später das Kühlregal, das eindeutig weniger Wärme verströmt,
aber immer voll ist.

Jetzt
ist das Milchvertrauen der Bevölkerung gebrochen. Jeder Tropfen
wird wertvoll, gedankenloser Genuss gilt als asozial und
hedonistisch. Um die Bevölkerung für den nächstens Boykott eine
Handreichung zum sinnvollen Verbrauch von Milch zu geben, hat
unsere Wissenschaftsredaktion Milchrezepte entwickelt, die mit
einem Minimum an Materialeinsatz blitzsaubere Ergebnisse garantieren.
Das folgende Rezept kommt mit knapp einem Liter aus und kann
auch einen verwöhnten Gaumen mehrere Tage verzaubern:
Wir
beginnen mit einem Milch-Parfait, garniert mit Scampi an
Kopfsalat mit Pinienkern-Tomaten-Vinaigrette im Lauchmantel
an violetter Sauce, karmellisierten Schweinebäckchen und all
dem anderen Zeugs aus der Spitzengastronomie. Für die feine
Farce aus Allgäumilch mit Resten des Schnurrbarts von Romuald
Schaber wärmen wir die Milch, bis sie gerinnt und stürzen sie
auf ein Stück Milchglas. Geduldiges Zuwarten bringt die violette
Einfärbung und jenen dezenten Geruch, der lästige Fliegen schnell
aus der Küche in den Garten fliehen lässt, Mit einem handelsüblichen
Tafelspitz rühren wir zwei Esslöffel Milch um, bis ihnen schwindelig
wird, unterheben einen Chilipfirsich und lassen einen Gambakrapfen
in den Milchsee zu Wasser. Den Lauchmantel vom Kleiderhaken
nehmen und in einer Ecke aausschwitzen lassen. Zwei Kartoffeln
aus der örtlichen Kaufland-Filiale so lange zuckern, bis sie
zu Süsskartoffeln werden. Dann die Manteltaschen mit Milch füllen
und die Kartoffeln hineinplumsen lassen.
Jetzt
haben wir schon die Hälfte unseres kleinen Milchvorrats verbraucht.
Das Hauptgericht, Champagnerkutteln an Cappuccino-Schaum
auf einer Milchstrassen-Serpentine, verbraucht den Rest.
Die Kutteln entnehmen wir einem Kalb, das gerade mit überproduzierter
Milch gemästet wurde. Wir besprühen seine Innereien dreimal
mit dem Milchschaum. Das Ganze wird auf einer Blockade von gebratenen
Traktorreifen serviert. Als Dessert gibt es karamellisierte
Kuheuter, die zu einem Zehntel mit Milch gefüllt sein müssen,
damit sie schön schwer auf dem Teller lasten. Guten Appetit!
In
der nächsten Folge präsentieren wir einen Schweinezyklus iin
acht Gängen. Damit sind Sie bereits für kommende Blockaden
auf dem Gebiet der Ferkelzucht gewappnet. Was allerdings passiert,
wenn die Bauern auch Kaninchen, Ochsen, Geflügel und Dönerspiesse
boykottieren, ist noch offen. Möglicherweise bleibt dann nur
noch der Kannibalismus. Dazu recherchieren wir gerade einige
gängige Rezepte in unserer Versuchsküche. |