Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. Juni 2008)
 

   Dass ein knapp werdenes Lebensmittel Anlass zur Panik und hamsterartiger Vorratshaltung gibt, erinnert die Älteren unter uns an Hungerwinter, Missernten, Kinderlandverschickung und herumstreunender Söldnertruppen. Diese Albträume aus dunkler Zeit wurden zum Leben erweckt, als in Deutschland in den vergangenen Tagen die Milch knapp wurde. Ausgerechnet Milch (siehe Bild)! Seit ein jovialer Stoffbär durch eine idealisierte Alpenlandschaft torkelte, um für Bärenmarke zu werben, hat die Milch einen mythischen Charakter. Der Mensch - ausgestattet mit dem postnatalen Saugreflex - geht davon aus, dass Milch stets und ausreichend zur Verfügung stehen muss. An die Stelle der gnädig dargereichten Mutterbrust gesellt sich später das Kühlregal, das eindeutig weniger Wärme verströmt, aber immer voll ist.



   Jetzt ist das Milchvertrauen der Bevölkerung gebrochen. Jeder Tropfen wird wertvoll, gedankenloser Genuss gilt als asozial und hedonistisch. Um die Bevölkerung für den nächstens Boykott eine Handreichung zum sinnvollen Verbrauch von Milch zu geben, hat unsere Wissenschaftsredaktion Milchrezepte entwickelt, die mit einem Minimum an Materialeinsatz blitzsaubere Ergebnisse garantieren. Das folgende Rezept kommt mit knapp einem Liter aus und kann auch einen verwöhnten Gaumen mehrere Tage verzaubern:

   Wir beginnen mit einem Milch-Parfait, garniert mit Scampi an Kopfsalat mit Pinienkern-Tomaten-Vinaigrette im Lauchmantel an violetter Sauce, karmellisierten Schweinebäckchen und all dem anderen Zeugs aus der Spitzengastronomie. Für die feine Farce aus Allgäumilch mit Resten des Schnurrbarts von Romuald Schaber wärmen wir die Milch, bis sie gerinnt und stürzen sie auf ein Stück Milchglas. Geduldiges Zuwarten bringt die violette Einfärbung und jenen dezenten Geruch, der lästige Fliegen schnell aus der Küche in den Garten fliehen lässt, Mit einem handelsüblichen Tafelspitz rühren wir zwei Esslöffel Milch um, bis ihnen schwindelig wird, unterheben einen Chilipfirsich und lassen einen Gambakrapfen in den Milchsee zu Wasser. Den Lauchmantel vom Kleiderhaken nehmen und in einer Ecke aausschwitzen lassen. Zwei Kartoffeln aus der örtlichen Kaufland-Filiale so lange zuckern, bis sie zu Süsskartoffeln werden. Dann die Manteltaschen mit Milch füllen und die Kartoffeln hineinplumsen lassen.

   Jetzt haben wir schon die Hälfte unseres kleinen Milchvorrats verbraucht. Das Hauptgericht, Champagnerkutteln an Cappuccino-Schaum auf einer Milchstrassen-Serpentine, verbraucht den Rest. Die Kutteln entnehmen wir einem Kalb, das gerade mit überproduzierter Milch gemästet wurde. Wir besprühen seine Innereien dreimal mit dem Milchschaum. Das Ganze wird auf einer Blockade von gebratenen Traktorreifen serviert. Als Dessert gibt es karamellisierte Kuheuter, die zu einem Zehntel mit Milch gefüllt sein müssen, damit sie schön schwer auf dem Teller lasten. Guten Appetit!

   In der nächsten Folge präsentieren wir einen Schweinezyklus iin acht Gängen. Damit sind Sie bereits für kommende Blockaden auf dem Gebiet der Ferkelzucht gewappnet. Was allerdings passiert, wenn die Bauern auch Kaninchen, Ochsen, Geflügel und Dönerspiesse boykottieren, ist noch offen. Möglicherweise bleibt dann nur noch der Kannibalismus. Dazu recherchieren wir gerade einige gängige Rezepte in unserer Versuchsküche.
 

 

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