Vieleicht haben Sie es nicht
gemerkt, aber der Aufschwung ist da. Er ist spürbar. Falls Sie
ihn noch nicht entdeckt haben sollten, geneigter Leser, dann
befühlen Sie im Aufzug das pralle Wohlstandgesäss jenes
Kollegen, der immer Geldsorgen vortäuscht. Lassen Sie sich nicht
von Armutsberichten und dem Obdachlosen, der schon seit Wochen
vor Ihrer Haustür kampiert, irritieren. Den Menschen geht es
prächtig, sie wollen es bloss nicht zugeben. Die Vollbeschäftigung
- zum Greifen nahe! Die aktuellen Arbeitslosenzahlen wurden
jüngst wie ein Jackpot ausgerufen, und wir alle sind Millionäre
der Herzen. 3,28 Millionen! Die allerletzten Hartz-IV-Empfänger
fielen sich in die Arme. Alles wird gut.
Oder
auch nicht. Den jeder Erfolg hat auch seine Schattenseiten.
Zu wenig Arbeitslose ist nämlich auch schlecht. Die heimische
Luftfahrbranche sucht händeringend nach Ingenieuren und Piloten.
Tausende fehlen. Immer häufiger sitzt im Cockpit eines deutschen
Billigfliegers ein schnell eingelernter Schimpanse (siehe Bild).
Die Industrie kämpft um jeden Mann, schickt Headhunter. Auch
der geringste Hinweis auf eine mathematische Begabung wird gnadenlos
bestraft. Jeden Geringqualifizierten kann es erwischen. Sogar
Ausländer. Alte.

"Das
sind Anwerbemethoden wie im 30-jährigen Krieg", wimmert
der völlig verängstigte habilitierte Historiker Branimir Cmrckevski
(Name nicht geändert), dem unsere Wissenschaftsredaktion schon
seit Tagen Asyl gewährt. Der Tageslöhner war mit seinem Leben
und den dreizehn Minijobs (macht 500 netto, dazu ein bisschen
schwarz) glücklich, sammelte nach Feierabend wie üblich Pfandflaschen,
als ihm zwei grobschlächtige Typen von Airbus auflauerten und
nach der Quadratwurzel von 144 fragten. "Ich sagte: Habe
Frau und elf Kinder. Dann wurde es mir schwarz vor den Augen."
Doch bevor das brutale Duo Branimir in ein Grossraumbüro für
Tragwerkskonstruktionen pferchen konnte, riss er sich los.
Weniger
Glück hatte Willibald S. Der rüstige 89-jährige aus Unna war
der Einzige, der auf einem Airberlin-Flug nach Mallorca die
Sicherheitshinweise aufmerksam studierte, es war schliesslich
sein erstes Mal. Plötzlich spürte er einen festen Griff am Oberarm.
"Seitdem sitze ich ganz vorne und mache täglich fünf Turnarounds,
70 Stunden die Woche. Meine Bingo-Gruppe im Heim kann ich
vergessen."
Also, liebe Leser,
wenn Sie auch nicht von diesem Aufschwung profitieren wollen,
bleiben Sie ruhig, verhalten Sie sich wie bisher geistesabwesend,
lesen Sie den Sportteil oder falten Sie einen Papierhut. Und
lösen Sie nicht im Beisein anderer das Sudokurätsel weiter hinten.
Es könnte Ihr letztes sein. |