Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. März 2008)
 

   In Bayern ist das Rauchen wieder erlaubt. Im Bierzelt. Au Sicherheitsgründen, damit es nicht zu Handgreiflichkeiten kommt, wenn Nichtraucher quasi als verlängerter Arm des Nichtraucherschutzgesetzes ihr Recht auf rauchfreie Luft durchsetzen wollen. Ausgerechnet im Bierzelt.

   Nichtraucherschutzgesetz - welch ein Wort. Nicht wegen "-schutzgesetz", denn gesetzlich schützen ist nicht verkehrt. Sondern wegen "Nichtraucher-": Jemand, der raucht, ist ein Raucher. So wie jemand, der klaut, ein Dieb ist. Aber jemand, der nicht klaut, ein Nichtdieb? Und jemand, der ehrlich ist, ein Nichtbetrüger? Oder einfach nur normal? Anderenseits: "Normalenschutzgesetz" klingt beknackt.

   Derselben Logik folgend könnte man erwägen, Taschendiebstahl straffrei zu stellen, um Handgreiflichkeiten zu verhindern, wenn die rechtmässigen Besitzer durch beharrliches Festhalten des Eigentums ihr Recht durchsetzen wollen. Selbstverständlich nur in der Sonderechtszone Bierzelt.

   Das Bierzelt ist Bayern, reduziert auf wenige Quadratmeter. Hier wird gelebt, getrunken, gegesen, gelacht, gefeiert, gestritten. Und Politik gemacht. Mancher Bayer hat sein Leben selig über einem Masskkrug ausgehaucht. Und so mancher bayerische Kindersegen wurde des Abends neben oder hinter dem Bierzelt auf den Weg gebracht. Im Bierzelt sind alle gleich und werden auch Menschen vorbehaltslos integriert, die der Muttersprache Bayrisch nicht mächtig sind. Präzise gesagt: Der Muttersprache vorübergehend nicht mehr mächtig.



   Möglicherweise hat uns das bayerische Bierzelt sogar vor militärischen Auseinandersetzungen bewahrt. Millionen Besucher aus Europa und Übersee werden sich bei einem Besuch des Oktoberfestes gedacht haben: Mit Menschen, die so rabiat fröhlich sein können, fängt man besser keinen Streit an. Deshalb ist es klug, dass im Bierzelt geraucht werden darf. Denn lederbehoste Männer, die zum Rauchen brav vors Bierzelt treten, sind als Mittel der militärischen Abschreckung nicht länger brauchbar.

   Allerdings hat Bayern dramatisch an weltpolitischem Gewicht verloren. Man gehe nur einmal die Liste bedeutender bayerischer Regenten durch: Ludwig, Luitpold, Franz Josef. Mit Edmund dem Zauderer, so urteilt die Zeitgeschichte unbarmherzig, begann der Abstieg des einstigen Königreichs und jetzigen Freistaats Bayern zu einem beliebigen Bundesland der Berliner Republik.

   Jetzt müssen es Erwin und Günther machen. Keine Frage, Erwin und Günther verwalten das ihnen durch Erbe zugefallene Bayern so gut sie eben können. Dass der eine von beiden Franke ist und nicht rechtgläubig, ist halt die neue Zeit. Dass aber beide es nicht vermögen, mit ihrer Rede ein Bierzelt in Rage zu bringen, werden ihnen die Bayern auf Dauer nicht nachsehen. Mit oder ohne Rauchverbot.
 

 

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