Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. März 2008)
 

   Wer gehofft hatte, die systematische Austrocknung europäischer Oasen wäre nur eine Momentaufnahme der Zeitgeschichte, sah sich diese Woche getäuscht. Starrsinnige Steuerfahnder lassen nicht nach in ihrem Bemühen, fruchtbare Zwergstaaten in Einöden zu verwandeln, wo nur niedere Lebensformen mit einwandfreier Steuermoral überleben. Die Oase aber, einst die Schweiz der Wüste, hat ihren Nimbus verloren.

   Dabei war sie in den letzten Jahren ohnehin heruntergekommen und hat heute nur mehr den Ruf billigen Konsums: Es gibt Wellnessoasen (Siehe Bild), Modeoasen, Tätowieroasen und Oasen für tolerante Paare. Die letzten echte Oasen waren die Steueroasen. Dort liessen sich sich die Abenteurer der Kapitalflucht ihre vom Angstschweiss feuchte Stirn kühlen, während ihre Kamele unter der Last des Vermögens taumelten.



   Das sagenumwobene Sultanat Liechtenstein, an und für sich eine trostlose Wüstenei aus Fels, Steppe udn altem Adel, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten durch systematische Kultivierung und Bewässerung in eine einzige grossse Oase verwandelt. Sie ist umringt von von feindseligen Schurkenstaaten, in denen man ertappten Steuersündern die Hand abhackt, mit denen sie gerade noch ihr Geld gezählt haben.

   In Liechtenstein dagegen sind die letzten Steuereintreiber bereits vor Jahrzehnten gevierteilt worden, weisen freundliche Jungfrauen den Weg zu blankgeputzten Bankschliessfächern. Über das Bankgeheimnis wachen Angestellte, denen man bereits zu Beginn ihrer Ausbildung aus Diskretionsgründen die Zunge herausgeschnitten hat. Und über allem thront ein milder Sultan namens Adam, der so diskret ist, dass er seine Steuererklärung sogar vor sich selbst verschweigt. Die Reisenden bringen Gold und Gewürze, heiratsfähige Mädchen und Wein, die sie in gewaltige Schliessfächer laden. Dann schauen sie sich rasch um und veschlucken den Schlüssel.

   Doch jetzt ist der Rückweg versperrt. Der Wadi (heute: Vaduz) wird mangels Ausweg zur letzten Zuflucht. Immer mehr Kapitalflüchtlinge nehmen Abschied vom Getriebe der Globalisierung und wählen ein Schliessfach als letzte Ruhestätte. Als Grabbeigaben werden ihnen Gold und Juwelen, Mercedes-Limousinen und Schweizer Wochenendhäuser beigelegt. Die Bankangestellten mauern die Tür zu und lassen den Steuer- und Lebensmüden zu seiner letzten Reise aufbrechen. Wenn dereinst das globale Kapitalsystem zusammengebrochen sein wird und die Zwergoase Liechtenstein verdorrt, weil es keine Mittelzuflüsse mehr gibt, wird man die Überreste von Managern und Mittelständlern in den Grüften der Bankruinen finden, erstarrt in einer letzten Umarmung ihres Vermögens.
 

 

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