Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (10. Februar 2008)
 

   Am Aschermittwoch war alles vorbei. Zumindest bisher. Das wird sich nach Plänen der grossen Koalition, die uns vertraulich zugespielt wurden, allerdings gründlich ändern: Die Bundesregierung plant, die närrische Jahreszeit künftig ganzjährig anzuordnen.

   Den Anstoss gaben Mediaanalysen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ihnen zufolge erreichten Veranstaltungen wie "Blau-weisser Fasching aus Franken", "So fröhlich schunkelt Deidesheim" oder "Närrisch und blau in Faurndau" deutlich höhere TV-Einschaltquoten als das Spiel um den dritten Platz bei der Fussball-WM 2006. Damit war der Nachweis erbracht: Fasching, Fastnacht, Karneval erreicht die Menschen draussen im Lande.

   Das wollten auch die Parteien, die mit politischen Aschermittwochen und Starkbieranstichen die Karnevalisierung der Politik (siehe Bild) längst eingeleitet haben. Künftig machen sie ganzjährig Ernst mit dem Frohsinn. Parteitage und Wahlkampfveranstaltungen werden, eingerahmt von Tanzgarden und Alleinunterhaltern, ab sofort ausschliesslich in Turnhallen und Festzelten stattfinden. Um auch den Wahlvorgang selbst zu emotionalisieren, stehen die Urnen unmittelbar nach den Veranstaltungen zur Stimmabgabe bereit. Von Poltikverdrossenheit dürfte in sublim erotisierter Bierzeltstimmung keine Rede mehr sein.



   Politiker von links bis ganz rechts haben bereits ihr Einverständnis signalisiert. Gregor Gysi sagte: "Das soll nun aber nicht bedeuten, dass wir uns die Gerechtigkeitslücken schöntrinken", während Roland Koch "lückenlosen und brutalstmöglichen Karneval" einfordert. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, mit ihrem seit Jahren praktizierten Dauernlächeln Vorbild für den frohsinnsgestählten Politikertyp, sieht ebenfalls Spielräume für mehr Karneval: Weil in Deutschland weniger geraucht werde, könne nun mehr getrunken werden, um gesamtgesellschaftlich auf dem gleichen Gesundheitsniveauzu bleiben. Peter Steinbrück plant derweil, nach einer Umstellungsphase auf den höheren Alkoholkonsum die Branntweinsteuer zu erhöhen, um dioe Mindereinnahmen aus der Tabaksteuer aufzufangen.

   Der deutsche Einzelhandel zeigt sich interessiert. Zur Hebung der Konsumstimmung sei karnevaleskes Unterhaltungsprogramm und Alkoholausschank in Kaufhäusern eine Überlegung wert, erklärte ein Sprecher. Schliesslich sei erwiesen, dass leicht angeschickerte Menschen eine grössere Bereitschaft zu Spontankäufen an den Tag legten.

   Die Fernsehanstalten, die die Karnevalslawine losgetreten haben, arbeiten derweil an neuen Programmstrukturen. Die Fernsehköche Lafer, LIchter und Lecker servieren künftig Herrentorten und Katerfrühstücke. Bei RTL wird "DSDS" zu "Deutschland sucht den Supernarren" umformatiert. An Inhalten und Kandidatenauswahl will der Sender nichts ändern, lediglich soll Dieter Bohlen seine Gäste künftig in Reimform beleidigen. In diesem Sinne: Helau und au weh. Narrhallamarsch.
 

 

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