Ein unscheinbarer Mann sitzt
in einer nüchtern eingerichteten Wohnung des Parisers Vororts
Neuilly. Sein Blick flackert, seine Augen glühen wie Monitore
in einem Börsen-Handelsraum. Es ist Monsieur Kerviel (siehe
Bild), der Mann ohne Eigenschaften, tragische Schlüsselfigur
des globalen Crashs. Er lacht heiser. Einen Verbrecher hatten
sie ihn genannt. Bizarr! Wie einfach war es doch gewesen, in
den zentralen Geldverschieberaum seiner Bank vorzudringen. Der
Sicherheitsring aus Sandsäcken und Jägerzaun war schnell überwunden.
Die schläfrigen Wachhunde blinzelten nur, als er sie mit Keksen
ruhigstellte. Die gefälschte Einlass-Chipkarte lag einem Computerheft
bei, das sich mit Sicherheitsfragen im Online-Banking befasste.

Rasch
mit der Blechschere den Schrank aufgeschnitten, in dem der Spekulationsrechner
stand, dann lag die goldene Computermaus in seiner Hand. Nur
ihr Nutzer war berechtigt, die weltweiten Kapitalströme zu lenken.
Kerviel küsste sie schaudern. Er begann mit einer zögernden
Bewegung: Der Pfeil zuckte auf dem Bildschirm und versenkte
einige Millionen Euro in Knockout-Zertifikaten. Kerviel wurde
mutiger. Die goldene Maus liess Lichtpunkte durch die weltweiten
Börsencharts tanzen wie Sternschnuppen. Immer öfter schloss
sich Kerviel mittags in den Spekulationsraum ein. Aus Millionen
wurden Milliarden. Seine Kollegen hörten das heisere Lachen
des Bankers und wunderten sich über die blutig gebissene
Unterlippe. Hier einige Millionen auf Technologiewerte in Malaysia,
dort eine Milliarde in die Erschliessung des Uranabbaus in Südamerika,
Termingeschäfte in China, Immobilien in den USA. Im grossen
Haus des Kapitals waren viele Wohnungen für einen wagemutigen
Abenteurer.
Die Innenrevision wunderte
sich zwar über immer zahlreicheren Löcher im elektronischen
Sicherheitssystem und über die Trittleiter an der Firewall.
Doch erst, als Kerviel unter dem Namen Midas seine Erfolge im
Internet publizierte, kam es zur Verhaftung. Verhaften? Er lacht.
Einen Midas verhaftet man nicht! In seiner Hand lag die goldene
Maus, die er aus der Bank geschmuggelt hatte. Er schloss sie
sanft an seinem Privatrechner an. Sie erwachte zum Leben. Es
schien, als lächelte sie zu ihm auf. Dann begann sie zu tanzen.
24 Millionen, 112 Milliarden, die erste Billion. Er
stöhnte vor Glück und Erregung. Anderntags meldeten die Agenturen,
dass sich alle weltweit verfügbaren Geldreserven nach
Neuilly gewälzt hatten. Der Pariser Vorort drohte aufgrund der
verdichteten Kapitalströme zu platzen. Kerviel selbst wurde
zuletzt dabei gesichtet, als er eine goldene Computermaus in
ein Pfandleihhaus trug und dafür acht Euros erlöste. Er habe
kein Bargeld mehr gehabt, sagte er später. In Europa beginnt
unterdessen die Ära des Tauschhandels. |