Die Kirche war eigentlich
immer schon ein Ort der Missverständnisse. Vieles von dem, was
von der Kanzel gepredigt wurde, kam beim Volk nicht recht an.
Bis in die 60er lag das vor allem daran, dass der Priester mit
dem Rücken zu seinen Schäfchen betete. Daher verstand niemand
etwas. Verstärkt hat den Effekt, dass er die Messe in Latein
hielt und in den Bänken nicht nur Altphilologen sassen. Missverständnisse
im Kirchenschiff haben also Tradition. Besonders Kinder kämpfen
damit, die Stimme Gottes richtig zu deuten.
Wieso
sang der Pfarrer in der Kirche bloss "Es ist ein Roß entsprungen"?,
fragte sich etwa der Autor bis ins Teenageralter. Hatte Gott
ein Gestüt in Jerusalem? Was bedeutete die Zeile "Vom Himmel
hoch, da komm' ich her, ich bring' euch einen neuen Mäher?"
Warum trällerten die Menschen "Oh du fröhliche, oh du selige,
Knaben bringende Weihnachtszeit?". Was sollte das? Und.
War Joseph - der Vater von Jesus - ein archaischer Supermann,
weil er "hoch oben den Engeln was vorschwebte", wie
es das Lied "Ihr Kinderlein kommet" sagt? Eigentlich
hiess es da zwar: "Hoch oben schwebt jubelnd der Engelein
Chor", nur verstanden haben wir das eben nie.
Übrigens
genauso wenig wie die Sache mit Holger Knabe, dem Typen mit
dem lockigen Bart. Holger war eine komische Gestalt, die in
"Stille Nacht, Heilige Nacht" auftaucht. Wer verdammt
war das? Dass es sich eigentlich um einen "holden Knaben
im lockigen Haar" handelte, entzog sich schlichtweg unserer
Kenntnis. Sowieso wimmelte das Lied von komischen Typen. Zum
Beispiel war da "Owi", Gottes Sohn. Irgendwie waren
wir uns recht sicher, dass Jesus Gottes Sohn war, im Lied hiess
er aber "Owi". Kein Zweifel - auch meine Mutter sang
neben mir in der Kirche stehend: "Gottes SOhn, oh, wie
lacht ...". So ganz klar wurden uns Kindern die Verwandschaftsverhältnisse
im Hause Gottes jedenfalls nie.
Die
waren daheim klarer: Unter dem Tannenbaum brüllte man lauthals
"Oh Tantenbaum, oh Tantenbaum, wie grün sind deine Blätter".
Auch "Tuntenbaum" stand hoch im Kurs. Während die
Eltern die Augen verdrehten, quäkten wir "Morgen kommt
der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gabeln". Da war es
nur echt und billig, dass uns Knecht Hup-Recht, der übrigens
mit einem gewissen Nico-Klaus erschien, dafür immer eins überbriet.
Als Entschädigung gab es dann "Weisskraut" und "Mürbes",
pardon, "Weihrauch" und "Myrrhe".
Für
die Feinschmecker unter uns hatte die kirchliche Liturgie einen
besonderen Leckerbissen parat: Die berüchtigte "Litanei
zum heiligen Taddäus". Generationen von Pennälern interpretierten
das Gebet mit der Zeile "Lamm Gottes, du nimmst hinweg
die Zünder der Welt" recht kriegerisch. "Was sollte
diese Anspielung auf frühe biblische Selbstmordattentäter?"
fragten wir uns und gaben gleich selbst die Antwort: Wenn schon
die Wege des Herrn unergründlich sind, dann wohl auch seine
Worte! "Zünder" statt "Sünden"? Wen juckt's?
Wieder
andere vermuteten hinter dem Festtag "Maria Empfängnis"
den Schlachtruf "Maria ins Gefängnis!". Und wer von
"Maria, die geknebelten unter den Räubern" sprach,
meinte eigentlich "Maria, die Gebenedeite unter den Weibern".
In
diesem Sinne frohes Singen: Im Namen des Vaters, desSohnes und
der heiligen Geisslein. Armen. |