Falls Sie, lieber Leser,
zu den regelmässigen Konsumenten dieser Kolumne gehören, dürfte
Ihnen nicht entgangen sein, dass wir - wiewohl wir stets auf
Ereignisse der vergangenen Woche zurückschauen - in der Einschätzung
der Weltlage meist unserer Zeit voraus sind. Wenden wir uns
also heute dem Silvesterfeuerwerk zu.
Die
meisten Deutschen will Forsa in einer im Auftrag der Allianz
erstellten Umfrage herausbekommen haben, denken beim Silvesterfeuerwerk
als Letztes an den Klimawandel. Das ist, wie wir im Kleingedruckten
erfahren, auch vernünftig, da jeder Deutsche bei dem Geballere
im Schnitt 25 Gramm CO² freisetzt. Das ist im Vergleich zu den
zwölf Tonnen Kohlendioxyd, die er unterm Jahr rausbläst, ein
Pups.
Mal abgesehen davon, dass ich
mich frage, wie ein Versicherungskonzern solche Erhebungen gegenüber
seiner zahlenden Kundschaft rechtfertigt: Ich fühle mich durch
solche Umfrageergebnisse diskriminiert. Selbstverständlich denke
ich beim Silvesterfeuerwerk an den Klimawandel. Doch nicht nur
das. Wenn über mir der Nachthimmel zu brennen anfängt und sich
mein Dezembergehalt in Rauch auflöst, denke ich auch an den
Hunger in der Welt, an Aids, an Osama bin Laden, an Johannes
B. Kerner - ich würde sogar soweit gehen, dass für mich das
Silvesterfeuerwerk die zentrale Betroffenheitsveranstaltung
ist, in der mein ganzes Protestpotenzial zum Ausdruck kommt.
Während
ich das ganze Jahr über mit einem Dauerfeuerwerk an guten Ideen
versuche, die Welt ein klein wenig zu verbessern, verlasse ich
mich an Silvester auf die Aussagekraft von 37-Schuss-Multi-Effekt-Batterien
mit Colour-Kometenaufstieg und prächtigem Palmenbukett im Abgang.
Glauben SIe nicht, dass das ein Spass ist. Wäre auf der Welt
alles im Lot, ich könnte um zwölf in aller Ruhe dem Glockengeläut
aus der Glotze lauschen und mir die Ballerei sparen. Aber solange
noch eine Träne fliesst, schiesse ich zurück. |