Unsere Wochenschau berichtet
an dieser Stelle vom Stellungskrieg an den deutschen Bahnhöfen.
Die Operation Nachtsprung, die höchstrichterliche Zerschlagung
der GDL, wurde wegen des überraschenden Wintereinbruchs, der
die Rechtswege unpassierbar machte, verhindert. Jetzt sind die
Fronten erstarrt. GDL-Befehlshaber Manfred Schell (siehe Bild)
droht, er werde eher seine Augenbrauen opfern, als einen Schritt
zurückweichen. Er forderte die bedingungslose Kapitulation und
bietet Bahn-Chef Hartmut Mehdorn Exil im stillgelegten Bahnhof
Lübeck-Schönböcken an.
Unterdessen
kommt es in vielen belagerten Städten zu heftigen Nahverkehrskämpfen.
Die Zivilisten an den Bahnhöfen können mit Imbiss-Ständen notversorgt
werden. Zehntausende Kriegsfreiwilliger aus dem Osten strömen
zu den Einheiten der GDL. Ihnen fehlt jedoch jede Erfahrung
mit grösseren Streik-Operationen. Nachdem die Fronten festgefahren
sind, macht sich Enttäuschung über die starre Taktik ihres Oberkommandos
breit. Desertionen nehmen zu. Die Stadt Leipzig, die seit Tagen
bestreikt wird, ist von der Aussenwelt abgeschnitten. Es kommt
zu Hamsterkäufen. Mehdorn wirft Geld aus der Luft ab.

Mitte
der Woche fordert die GDL erneut bediengungslose Kapitulation
der Bahn. Bahn-Chef Mehdorn reagiert: "In meinen Waggons
wird keine Kapitulationsurkunde unterzeichnet!" Er kommandiert
zur Verteidigung seines Führungsbunkers einige ihm treu ergebene
Fahrkartenautomaten zurück, die unter den Streikenden wegen
ihrer Kaltblütigkeit gefürchtet sind. Das Misstrauen des Bahn-Chefs
gegenüber seinem Stab wächst jedoch, Aktentaschen müssen vor
jeder Besprechung abgegeben werden. Der Verantwortliche für
den Schienen-Ersatzverkehr wird vor ein Kriegsgericht gestellt.
Besonders die eloquente Personalchefin Margret Suckale erregt
Mehdorns Unmut. Sie ist bereits viermal entlassen und wieder
eingesetzt worden. Heute soll sie zu einem Fernsehduell gegen
Schell antreten. Dieser macht aus seiner Verachtung kein Hehl.
Von Flintenweibern ist die Rede.
Unterdessen
bewegen sich endlose Trecks von Zivilisten durch das Land.
Viele sind unterernährt, in den Gesichtern spiegelt sich noch
der Schrecken der Streikschlachten. An den Bahnhöfen spielen
sich erschütternde Szenen ab. Familien drängen sich in die Züge,
um vor Weihnachten bei ihren Verwandten zu sein. Pendler bestechen
die Begleitkommandos mit Laptops und Schnaps. Mehdorn befiehlt,
alle Bahnhöfe zu verteidigen, und verspricht die Versorgung
aus der Luft. Wer dennoch flüchtet, wird mit Entzug der Bahncard
bestraft.
Nach tagelanger Artillerievorbereitung
mit Beleidigungen und gegenseitigen Vorwürfen beginnt am 14.
November die grösste Offensive in der Geschichte der Deutschen
Bahn. Um den Bahn-Chef wird es einsam. Seine Stellvertreter
haben sich in den Süden abgesetzt und betreiben Sondierungen
für einen Separatfrieden. Al ihr Führer davon erfährt, läst
er sie absetzen und setzt sich selbst ins Führerhaus des neuen,
stark gepanzerten ICE-3. Er wird trotz heftigem Feindfeuers
in der belagerten Stadt Leipzig wie ein Held empfangen. Endlich
bekommen die entkräfteten Bürger wieder Budapester Kesselgulasch
(4,20 Euro) und Tagliatelle mit Lachs-Rahmsauce (8,90
Euro) aus den Feldküchen der Mitropa.
Doch
die Lage ist kritisch, nachdem in Frankreich die von der GDL
ersehnte zweite Front eröffnet wurde. GDL-Chef Schell
fordert die bedingungslose Kapitulation. Ein unmittelbar in
seiner Nähe explodiernder Servicepoint lässt ihn bis auf weiteres
ertauben. Auf den Fortgang des Krieges hat das keinen Einfluss,
da er ohnehin auf niemanden mehr hört. |