Es ist an der Zeit, in dieser
Kolumne eine Lanze für die Senioren zu brechen. Aufgeschreckt
ha uns die Nachricht, dass einige norwegische Gemeinden ihre
Altenheime an die spanische Küste verlegt haben, der niedrigen
Kosten und des freundlichen Klimas wegen. Weitere Rentner sollen
schon auf dem Weg nach Spanien sein.
Wir
aber halten diese Tendenz für grundfalsch, und dies nicht alleine
aus der Sorge heraus, die besten Plätze am Strand könnten bereits
ab Sonnenaufgang von schlaflosen Rentnerscharen belegt sein.
Sondern weil wir die Senioren hier im Lande brauchen. Viel zu
lange hat die Gesellschaft Rentner zu verwirrten Existenzen
erklärt, die zwischen 17.30 und 19 Uhr die Supermarktkassen
verstopfen und das Personal in fruchtlose Diskussionen
verwickeln, was denn bitte schön Pehbeck-Sammelpunkte seien
und dass man früher für grössere Einkäufe Rabattmarken bekommen
habe. Aber das hätten die Supermarktketten heute offenbar nicht
nötig.
In Wahrheit sind Senioren die
Leistungsträger unserer Gesellschaft. Wer hat denn neulich zwei
Nobelpreise für Deutschland eingesackt? Herren im besseren
Pensionsalter: Der Physiker Peter Grünberg, 68 Jahre, und der
Chemiker Gerhard Ertl, 71 Jahre. Auch das Vorurteil, im Alter
lasse das Gedächnis nach, ist widerlegt - ebenfalls durch einen
Nobelpreisträger: Der Literat Günter Grass hat mit 79 Jahren
überhaupt erst begonnen, sich zu erinnern, als junger Mensch
in der Waffen-SS gewesen zu sein. Und als Ausweis körperlicher
Leistungsfähigkeit mag der Südtiroler Luis Trenker gelten, der
bis ins hohe Alter in entlegenden Alpentälern, die ohne sein
Zutun heute vielleicht menschenleer wären, für zahlreiche Nachkommenschaft
sorgte.

Doch
sollten wir unseren Senioren nich nur Spitzenleistungen abverlangen.
Auch im Alltag ist ihr Einsatz willkommen. Aufmerksame Pensionäre
könnten beispielsweise in Wohnblocks Acht darauf geben, dass
der Müll ordentlich getrennt in die richtigen Tonnen verbracht
wird. Gründlich lesende Rentner könnten durch Einsendungen korrigierter
Artikel die Quote an Schreibfehlern in den Tageszeitungen senken
helfen, und Senioren, die gerne Auto fahren, sollten im fliessenden
Verkehr pädagogisch wirken, indem sie andere Autofahrer
durch Gesten oder als vorausfahrendes Vorbild im richtigen Verhalten
schulen. Die ersten dieser ehrenamtlichen Helfer haben im Vorgriff
auf Förderungsprogramme des Familienministeriums bereits ihre
Tätigkeit aufgenommen.
Prominenten
Fürspruch hat die gute Sache jetzt durch die Schriftstellerin
Eva Herman bekommen. Sie arbeitet an einem historischen
Seniorenroman mit dem Titel "Gegen die Fahrtrichtung der
Autobahn". |