Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Oktober 2007)
  

   Bei der Deutschen Bahn wird gestreikt, wie Sie sicherlich bemerkt haben, weil am Ihrem Lieblings-Bahnübergang schon seit Tagen die Schranken nicht mehr heruntergegangen sind. Es ist unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit Bewegung in die festgefahrenen Schranken kommt: Der Vertreter der Lokomotivführer, Manfred Schell, spitzt sich weiterhin dramatisch zu, während die Fahrdienstleitung unter Hartmut Mehdorn sich zunehmend verhärtet.

   Um Sie, verehrte Leser, auf die Entwicklungen der kommenden Wochen vorzubereiten, hat das Ressort Schienenverkehr unserer Redaktion auf der redaktionseigenen Modellbahnanlage verschiedene Szenarien durchgespielt. Die Resultate werden Sie als Betroffene interessieren, schliesslich wollen Sie ja wissen, ob Sie auf dem Weg ins Büro auch weiterhin freie Fahrt an den Bahnübergängen haben.

   Beim nächsten Spitzentreffen geht Hartmut Mehdorn auf die Gewerkschaft der Lokomotivführer zu. Er bietet 20 Prozent mehr Gehalt, einen Tag Freizeitausgleich für Nachtdienste, garantiertes Weihnachtsgeld bis zum Erreichen des Pensionsalters sowie ein Bahncard 100 für die Männer auf dem Führerstand. Manfred Schell erbittet Bedenkzeit: Der Streik geht weiter. Auf einer Geheimsitzung des Bahnvorstands wird die Frage erörtert, wie viele Kilometer Nebenstrecken man stilllegen müsste, um mit 20 Prozent weniger Personal den übrigen Betrieb aufrechtzuerhalten.



   Bei einem weiteren Spitzentreffen signalisiert Schell Kompromissbereitschaft. Sofern Mehdorn zwei warme Mahlzeiten pro Dienst und Lokführer, serviert im Führerstand, Personaltoiletten mit beheizten Sitzbrillen und Warmwasserspülung auf den Bahnhöfen sowie für Schells Dienstreisen Lufthansatickets erster Klasse inklusive Senatorenstatus auf Lebenszeit aufsattle, könnten im Weihnachtsverkehr wieder erste Züge rollen. Kritik an den Flügen weist Schell zurück: "Bahnfahren geht in meiner Position nicht. Zu langsam, zu unpünktlich, zu wenige Verbindungen in der Fläche." Der Streik geht weiter.

   Mehdorn weist die Forderungen Schells zurück. Über die Vergünstigungen für Lokomotivführer könnte man reden, Flugtickets für Schell kämen nicht in die Tüte. Auch er, Mehdorn, habe bereits Dienstreisne mit der Bahn unternommen: "Ich habe gestaunt, wie gut das funktioniert." Unterdessen kursiert im Bahnvorstand ein sensationelles Geheimpapier: Am rentabelsten und damit attraktivsten für die Börse werde die Bahn, wenn sie den Betrieb erst gar nicht wieder aufnehme und alle ihre Grundstücke Gewinn bringend veräussere. Mit anderen Worten: Die Schranken bleiben oben.
 

 

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