Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das einzig Beständige im
Leben ist der Wandel. Deshalb halten Sie heute zum letzten Mal diese
Ausgabe in gewohnter, gedruckter Form in Händen. Ab kommender Woche wird
sie im Fernsehen ausgestrahlt, als Kochshow.
Und das kam so: Schon seit längerem hatte unsere Redaktion einen Besorgnis
erregenden Leserschwund registriert. Leser verschwanden spurlos, kehrten
vom Zigarettenholen oder von Dienstreisen nicht mehr zurück. Unsere
Leserschaft in der Metropolregion Netphen-Bad Laasphe war durch den Wegzug
eines Abonnenten sogar um 50 Prozent eingebrochen. Dem konnte die
Redaktion nicht mehr zusehen, ohne Massnahmen zu ergreifen.
Eine Krisensitzung wurde anberaumt, in deren Verlauf erste schüchterne
Vorschläge wie "Mehr Sport ins Blatt", "Gar kein Sport mehr" oder "Mehr
ergreifende Sozialreportagen" mit einem eiskalten "Gibt's schon"
erschlagen wurden. "Wir müssen zurück zum Wahren, Schönen, Guten", fiepte
die graumäusige Literaturredakteurin. Schweigen. Keiner wollte Schuld an
den Tränen der Kollegen sein. Der Chefredakteur murmelte versonnen ein
altes Götz-von-Berlichingen-Zitat vor sich hin: "Erst kommt das Fressen,
dann ..." - "... das Trinken", ergänzte der Kollege vom Sport, der ganz
gegen seine Gewohnheit der Unterhaltung gefolgt war, ohne einzunicken.
Mit diesem rhetorischen Kunstgriff war die Richtung vorgegeben: Wenn wir
schon nicht mehr die Köpfe unserer Leser erreichen, dann eben ihren Bauch.
Mit einer Kochshow. Einer der Teilnehmer der Krisensitzung erinnerte sich,
er habe gehört, Kochshows sei ein Riesen-Trend. Deshalb gehen wir mit der
Zeit, gehen auf Sendung und veröffentlichen als kostenlosen
Zuschauerservice die interaktiven Rezepte der Show im Web 2.0 sowie über
IPTV.

In der ersten Folge steuert unser Hauptstadtkorrespondent in Reminiszenz
an die Frankfurter Hausbesetzerküche sein Lieblingsrezept bei: Ein im
kalten Rauch gebeiztes Kommunardenbrüstchen an einem Salat von
legalisiertem Hanf im Jute-Wantan; das Ganze nappiert mit Harnomiegesülze.
Der Männerkochclub des Sportessorts (Siehe Bild) serviert eine
Bananenflanke mit gelbrotem Pfeffer, dreierlei Variationen von der
Blutgrätsche und ein Schmarrngröstel nach Beckenbauer Art. Dazu Pausentee.
Auf Wiedersehen und guten Appetit.
Ach so, Sie müssen ja noch wissen, wo Sie uns empfangen können. Wir senden
jeden Montag früh von 3:30 bis 4:30 Uhr auf Kanal 27 des slowakischen
Kabelnetzes. Die Herstellungskosten einer Fernsehsendung sind in
Bratislava um den Faktor zehn niedriger als in Deutschland. Sobald der
erste slowakische Kommunikationssatellit im Orbit kreist, sind wir auch
per Schüssel empfangbar. Bis dahin benutzen Sie Schüssel bitte zum
Nachkochen unserer Rezepte. |