Einem Fernsehbericht zufolge gibt es in der südchinesischen Millionenstadt
Shenzhen mehrere Tausend Kunstmaler, die alles nachpinseln, was die alte
und neue Klassik hergibt: Napoleon, die Mona Lisa, Roy Lichtenstein oder
irgendeinen Impressionisten. Jeder Maler schafft fünf Bilder pro Tag, das
entspricht rund 100 van Goghs.
Das Beispiel zeigt, dass der Bedarf an Schönheit unermesslich ist. Da
Schönheit aber in der realen Welt fast nei vorkommt, muss sie inszeniert
werden. Neben der Malerei ist die Fotografie immer wieder ein dankbares
Medium. Die US-Mondlandung, das Treffen Francos mit dem Führer, der Gewinn
der Fussballmeisterschaft 1974, das Bad Maos im gelben Fluss, das Bad
Helmut Kohls im Wolfgangsee und das Bad Nessies in einem schottischen Loch
- all diese Ereignisse fanden in der Wirklichkeit nie statt, sind aber
fotografisch dokumentiert. Pedanten und Kleingeister sprechen von
Fälschungen. Doch der Begriff ist relativ, weil der Blick auf die Wahrheit
oft erst durch bildnerische Korrekturen frei wird. Stalin beispielsweise
wählte bei der Retusche von Fotos meist das Mittel der Erschiessung. Weil
danach weniger Genossen auf den Gruppenbildern des Zentralkomitees der
KPdSU herumstanden, erhaschten kunstinteressierte Betrachter erstmals
einen Blick auf die architektonische Schönheit des Kreml.
Frankreichs Staatspräsident Sarkozy kam dem Wunsch der Massen nach
Vollkommenheit jetzt ebenfalls nach und liess aus seinem Urlaubsort Fotos
verbreiten, in denen einige Speckröllchen an der Hüfte, im Deutschen
Rettungsring, im Französischen Liebesgriff (poignées d'amour) genannt,
fehlten. Die Redaktion der Illustrierten "Paris Match" erklärte, man habe
nur einen Schatten aufhellen wollen. Genau darum geht es bei der
Bildinszenierung: Die Schatten der Geschichte, die unvermeidlichen
Misshelligkeiten, Fettnäpfchen und Fettpolster, die Tolpatschigkeiten und
Blutbäder müssen aufgehellt, wenn nicht gar ganz aus dem kollektiven
Gedächnis herausgepixelt werden.

Auch die Bundesregierung will sich mit der schnöden Realität nicht
abfinden. Der osramfarbige Teint von Bundesumweltminister Gabriel soll
Virilität und Gesundheit demonstrieren und kann in jedem gängigen
Bildbearbeitungsprogramm abgerufen werden. Bei den jetzt veröffentlichen
Bildern der Kabinettsklausur in Meseberg ging man noch einen Schritt
weiter. Unsere Wissenschaftsredaktion hat alle Fotos genau ausgewertet und
kommt zu dem Schluss: Das dort ofiziell verabschiedete Klimapaket wurde
nachträglich herausretuschiert. Beachten Sie bitte in dem oben stehenden
Bild das Loch zwischen Frau von der Leyen und dem Mann im weissen Hemd.
Das muss die Stelle sein, auf der das Paket ursprünglich stand. Gerüchten
zufolge war es so klein, dass den Politikern sein Erscheinen peinlich war.
Wie wir weiter erfuhren, soll jetzt im chinesischen Shenzhen ein Paket
gemalt werden, das grösser ist, dem Vorbild aber zum Verwechseln ähnlich
sieht. Der Inhalt allerdings bleibt unverändert und gilt als
fälschungssicher. |