Wer diese Tage um die
Dresdner Semperoper schlendert, hört oft ein leichtes Summen
und kokettes Jubilieren. Es sind die Fledermäuse des Typs Kleine
Hufeisennase (siehe Bild), die sich dort gesellig und virtuos
einige Arien aus der "Fledermaus" zuwerfen, jener
von Johann Strauss so glänzend zusammenkomponierten Artenstudie
von Alphatierchen im alten Wien. Im Unterschied zu den Akteuren
der Operette haben sich die Kleinen Hufeisennasen nicht
als Fledermäuse verkleidet, sondern sind bereits so auf die
Welt gekommen. Die Tiere halten sich gern im Schatten von Opernhäusern
oder Theaterbühnen auf. Zur Gattung der Kultursäuger gehörend,
bewerben sie sich um Statistenrollen oder drängen mit selbst
verfassten Einaktern auf den Spielplan.

Man
erkennt sie darn, dass ihr Nasenblatt einen keilförmigen Sattel
aufweist. Das Nasenblatt zu finden ist allerdings schwierig.
Es ist wie in den modernen Inszenierungen: Keiner weiss,
wo oben und unten ist. Schon in den ersten Wochen begleiten
die Jungtiere die Müter auf der Jagd, während sie an einer "Scheinzitze"
hängen. Damit sind sie für die Arbeit in einem Theater am Subventionstropf
wie geschaffen.
Die champagnerssprühenden
Duette von Strauss klingen den Verantwortlichen in Dresden allerdings
wie Totenmessen in den Ohren. Hat doch das Verwaltungsgericht
der Stadt den Bau der Elbschlösschenbrücke untersagt, weil
der Baulärm das operettenhafte Treiben der Fledermäuse störe
und ihr Dasein in der Dialogwüste à la Strindberg verwandeln
würde.
Das wäre ein Verlust, denn das
Liebesleben der Tiere gäbe allemal Stoff für ein Bühnenwerk
ab. Im Feuerstrom der Reben nähmlich, also völlig betrunken
praktiziert die Hufeisennase leichten Sinnes die Polygynie,
paart sich also mit mehreren Weibchen, sogar mit den weiblichen
Nachkommen der eigenen Frau. Ein Alban Berg oder Richard Strauss
hätte sich alle Finger nach einem solchen Sujet geleckt.
Deshalb
plädieren wir für eine stärkere Teilhabe der Fledermaus am kulturellen
Geschehen. Und wenn Sie, lieber Leser, diesen hufeisenförmigen
Gedankengängen nicht folgen können, hängen Sie sich einfach
eine Weile mit dem Kopf nach unten auf. Unserer nächsten Ausgabe
legen wir je eine Kleine Hufeisennase bei. Seien Sie
nett zu ihr. |