Wer dieser Tage im Supermarkt
in sein vertrautes Kühlregal griff, um eine Packung Milch
herauszuholen, griff ins Leere. "Abverkauft nach China,"
nuschelte der Lehrling. Un der Joghurt? "Erdbeere und
Schokolade komplett in China." Griesspudding? "China!"
Sahne, Magerquark, Frischkäse, Butter? "Schon
auf dem Weg nach Fernost." Es ist also so weit: Der
Chinese trinkt uns die Milch weg und isst uns die Butter vom
Brot.
Nachdem er sich über Jahrhunderte
hinweg still und genügsam verhalten hatte, der Individualität
abschwor, auf dem Feld arbeitete und ab und zu Raketen zusammenschweisste,
die selten ihr Ziel im Weltall fanden, entwickelt er jetzt einen
fatalen Sinn für Hedonismus und nuancierten Geschmack. Glückliche
Fische schwimmen in einem Meer aus Milch, heisst die offizielle
Doktrin im Reich der Mitte. Also entspannt sich auch Genosse
Wang nach der Arbeit im Reisfeld beim Unterschichtenfernsehen
und löffelt dazu Haselnuss-Joghurt (siehe Bild).
 Doch
ein langer Weg beginnt mit einem winzigen Schritt, sagt
Konfizius. Also wird sich der Chinese nicht mit Milch begnügen.
Er wird paniertes Schnitzel, Seidenunterwäsche und französischen
Rotwein begehren. Vielleicht sogar anfangen, Sport zu treiben.
Eine Milliarde Menschen, die mit Nordic-Walking-Stöcken herumfuchteln
und mit ihrer ausdünstenden Transpiration das Weltklima noch
mehr in Schieflage bringen. Damit nicht genug: Der Chinese wird
sich dem Trend zum Eigenheim anschliessen und samstags den Gartengrill
anfeuern. Die Rauchschwaden werden den Himmel verfinstern, das
Zischen der geöffneten Bierflaschen noch in Europa die Seismografen
nach oben schnellen lassen.
Es gibt
nur eine Hoffnung: Der Chinese verträgt eigentlich weder
Milch noch Alkohol. Ihm fehlt es nicht am Willen zum Exzess,
sondern am dafür notwendigen Enzym. Schicken wir ihm also coontainerweise
Milch und Schnaps und warten einfach, was passiert. Die werden
schon sehen. |