Die innere Sicherheit befindet
sich seit dieser Woche auf der Überholspur. Künftig wird
nämlich jeder Computer angezapft, der verdächtig aussieht,
was auf praktisch alle PCs zutrifft. Auch die Rechner in unserer
Redaktion verhalten sich merkwürdig. Sie reagieren auf Ansprache
einsilbig, meiden die Kantine und zeigen Anzeichen von Aufsässigkeit.
Das deutet auf eine Ausspähung hin.
Die Ausspähung
beginnt mit dem Besuch eines Mannes, der sich als Mitarbeiter
der Telekom ausgibt. Der Kunde wundert sich zwar, weil er
erst vor zwei Jahren einen Termin ausgemacht hat, freut sich
aber über die prompte Erledigung. Was er nicht weiss: Auf seiner
Festplatte wird nichts mehr so sein, wie es war.
Die
Festplatte ist das, was früher der Safe hinter der Vedute
aus dem 17. Jahrhundert oder das Geheimfach im Sekretär war.
Dort lagerten Briefe, überquellend von romantischem Schwulst,
ein paar Haare der Angebeteten oder ein Fussballsammelalbum
mit einem Vorwort von Petar Radenkovic. Auf heutigen Festplatten
sammeln sich keine Fussballbilder, sondern brünette, exotische,
blonde oder nahe liegende Hausfrauen. Die private Festplatte
hat eine Kapazität von rund drei Millionen Liebesbriefen, lässt
sich aber schlecht parfümieren und verleiht dem Rendevouz einen
funktionalen Charakter. Liebe und Romantik aber leben vom Chaos,
und deshalb sind die Chancen für eine Re-Romantisierung der
digitalen Welt gut.
 Das
Chaos wird entstehen, wenn der fürs Anzapfen zuständige
Beamte am Freitagnachmittag den Zapfhahn aufdreht, sich der
Inhalt von 60 Millionen Festplatten in sein karges Büro ergiesst
und dort zu einem Amalgam aus Pornografie, Musik und allen möglichen
Intimitäten verschmilzt.
Über das Wochenende
werden die freigesetzten Daten umherirren, sich austauschen,
schnäbeln und zwitschern. Literaturfreunde werden mit Sprachformeln
wie "HDL - Hab dich lieb" oder "DUWIPA - Du wirst
Papa" konfrontiert, Maschinenbaustudenten murmeln Barockgedichte,
Politiker empfangen Hartz-IV- Überweisungen und Islamisten Kataloge
von Naturholzmöbelwerken.
Das obige hoch
romantische Bild hat uns übrigens auf unserer Festplatte
besucht, wird aber wieder verschwinden, weil wir angezapft wurden.
Doch wer weiss: Vielleicht taucht es bald wieder bei Ihnen zu
Hause auf. |