Auf vielfachen Wunsch unserer
Leser kommen wir hier nochmal auf Knut, den kleinen Eisbären
(siehe Bild), zu sprechen. Seine Anmut und rührende Tollpatschigkeit
lassen Menschen von weit her zu ihm pilgern, um ihn beim Spiel
oder der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Kranke Kinder, so war
zu lesen, liessen isch zum Zweck der Heilung seine Pfoten auf
den Kopf legen und gesundeten augenblicklich. Die Welt, so kann
man sagen, ist durch Knut eine bessere geworden.
Auch
im idyllischen Franken wuchs vor Jahren ein bezauberndes
Kind auf, das mit rührender Tollpatschigkeit Entzücken auslöste
und später zu einer Frau heranreifte, deren Anmut im ganzen
Land bewundert wurde. Viele Besucher kamen von weit her, um
im Landratsamt Fürth die schöne Gabriele Pauli bei der Nahrungsaufnahme
oder bei der Arbeit zu beobachten. Manchen legte sie in einer
stillen Minute die Hand auf den Kopf, sprach ein paar Segensworte
und die Besucher konnten plötzlich wieder gehen, sehen oder
wie früher sechs Weissbier hintereinander trinken.
 Hier
könnten zwei Geschichten enden, deren Parallelität Staunen
macht und die dem Leser in diesen unruhigen Zeiten Halt, Trost
und Erbauung verschaffen. Die vornehmste Pflicht einer unseren
Journalisten ist es jedoch, der Wahrheit ans Licht zu verhelfen,
und deshalb muss die Geschichte weiter geschrieben werden. Die
schöne Landrätin entpuppte sich plötzlich als dunkle Domina
mit einem Hang zu Latexhandschuhen und roten Perücken, liess
sich von Hochglanzmagazinen fotografieren und galt damit gewohnheitsrechtlich
als Hexe.
Jetzt stellen sich viele Menschen
die bange Frage: Was wird aus Knut? Schon gräbt sich
in die weichen Züge des kleinen Eisbären ein zynischer Zug ein.
Schmeichler und Hofschranzen drängen sich in seinem Gehege,
vertreiben die Blinden und die Lahmen, die Linderung suchend
zu ihm pilgern. In wenigen Jahren wird sein kuscheliges Fell
einer porösen Krause weichen. Seine kindliche Unschuld wird
einder pauli-haft-berechnenden Launenhaftigkeit weichen. Jener
bereits wahrnehmbare Zug ins Divenhafte und Kapriziöse wird
zunehmen und dann werden die ersten Hochglanzmagazine an der
Tür des Bärenkäfigs klopfen ...
Doch wir
wollen unsere Leser nicht mit so einer traurigen Aussicht in
das Osterwochenende entlassen. Mag sein, dass Knut bald ein
parvenühafter Sklave des Zeitgeistes sein wird, die Natur
aber ist ein Kommen und Gehen. Unsere Redaktion beobachtet
bereits mehrere Kuscheltiere - Seehunde, Pandabären, allein
erziehende Mütter -, die in wenigen Jahren zu Knuts oder Paulis
heranreifen können. Dann werden wir erneut die rührende Geschichte
jenes anmutigen Kindes schreiben, dessen Tollpatschigkeit Entzücken
auslöste, und ... den Rest kennen Sie bereits. |