Die Ecke, auch der Eckpunkt, ist
in der Geometrie ein besonders ausgezeichneter Punkt der Grenzlinie
oder -fläche eines Gebietes. Die Ecken von zweidimensionalen
Polygonen sind die Punkte, an denen die begrenzenden Linien,
die Kanten, aufeinandertreffen. Im Falle der dreidimensionalen
Poyederbezeichnet man die Punkte, an denen (mindestens) drei
der begrenzenden Flächen aufeinandertreffen, als Ecken. Im Falle
eines n-dimensionalen Polyeders ist eine Ecke dadurch charakterisiert,
dass sie nicht als echte Konvexkombination zweier verschiedener
Punkte des Polyeders dargestellt werden kann.
Wer
diese kompakten Ausführungen, die wir ungekürzt einem Internetlexikon
entnommen haben, nicht versteht, könnte vor unangenehmen Zeiten
stehen. Die Ecke, genauer gesagt: die Eckkneipe wird nämlich
künftig eine zentrale Rolle iim Freizeitverhalten der Deutschen
spielen.
Bei den zahllosen Ausnahmegenehmigungen
für das jüngst erlassene Rauchverbot sind nähmlich neben Bier-
und Festzelt-Veranstaltungen an ungeraden Feiertagen nach Neumond,
türkischen Teestuben, Nebenzimmern von Teestuben und Tiergehegen
ohne türkisches Nebenzimmer auch die so genannten Eckkneipen
aufgezählt. Die Eckkneipe zeichnet sich dadurch aus, dass
sie am Kreuzungspunkt von zweidimensionalen Polygonen, also
an einer starkbefahrenen Kreuzung in einem tristen Vorort irgendeiner
konvex gelegenen Vorortbrache liegt. Der Tresen der Eckkneipe
wird von Spitzendecken, gewaltigen irdenen Aschenbechern (siehe
Bild) und
von einer Glasvitrine geschmückt, in der sich einige Buletten
langweilen, deren Herstellungsdatum ungefähr die in die Zeit
fällt, als in Deutschland zum ersten Mal über ein Rauchverbot
diskutiert wurde.
 Dort
also darf künftig weiter gequalmt und gedampft werden, bis diue
Vorhänge so gelb wie die Fingernägel werden. Deutschland befindet
sich am Vorabend einer gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzung.
Die Eckkneipe, früher von dem urbanen Flaneuren allenfalls mit
mitleidig-angewidertem Blick bedacht, wird zum neuem Treffpunkt
der Raucher. Politiker treffen auf Modeschöpfer und Manager
kneifen ihren Zigarren so resolut die Köpfe ab, als hätten sie
Betriebsräte vor sich. Die bisherigen Stammgäste - bis heute
angewiesen auf den Nachschub an slowenischen Billigrauchwaren
- werden zu begeisterten Passivrauchern, weil sie erstmals das
feine Aroma von exclusiven Zigarettenmarken inhalieren dürfen.
Mancher wundert sich, dass die Buletten plötzlich mmit Scampi
dekoriert sind und der früher hemdsärmelige Schankwirt eine
weisse Schürze trägt. Irgendwann liest der Kneipengänger Freitagnachmittag,
dass über der Tür nicht mehr "Bierhexe" oder "Zur
Goldenen Kanone" steht, sondern "Borchart's"
oder "Fritz's".
Der Trend zur Eckigkeit
ist also nicht aufzuhalten. Immer mehr Bistros und Klubs werden
sich freiwillig zu Eckkneipen umwidmen, werden eckige Buletten
gereicht. Eckgrundstücke werden sündhaft teuer und wenn da nur
noch der Stossseufzer Ecce Homo einfällt, der hat vermutlich
Recht. |