Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. Februar 2007)
  

  Berlin: Ein alter Mann durchquert die Tiefkühlabteilung bei Edeka Reichelt. Seine Augen flackern. Nähert man sich ihm, schlägt er mit einer Plastiktüte um sich. Es ist Fritz Teufel, früher Politclown der Kommune eins, jener Urzelle der Anarchie Ende der 60er Jahre. Die wilde Romantik wird jetzt in einem Kinofilm wachgerufen, der sich auf die Autobiografie von Uschi Obermaier (siehe Bild) stützt. Uschi habe es der Literatur besorgt wie kein Autor zuvor, schrieben Kritiker. Andere bemängeln, das Covergirl habe den Mund zu voll genommen und die Studentenrevolte nur von unten beschrieben.


  Heute macht Frau Obermaier ihre Besorgungen in Kalifornien. Fritz Teufel dagegen strich jahrelang erfolglos um die Berliner Justizgebäude. Sein Traum, noch einmal angeklagt zu werden, erfüllte sich nicht. Dazu kamen Geldschwierigkeiten, die ihn zwangen, seine Bibliothek über die Orgasmusschwierigkeiten in der Spätphase des Imperialismus ans Antiquariat zu verkaufen.

  Mit-Kommunarde Rainer Langhans hat sich inzwischen nahezu aufgelöst. Wer zu ihm in seine Münchener Sozialwohnung vordringt, sieht wenig mehr als einen durchsichtigen Lockenkopf, der sich von homöopathischen Kügelchen ernährt, die ihm einige Frauen des anliegenden Diakonissenhauses bringen. Einwände der Historiker, Langhans habe es nie gegeben, müssen an dieser Stelle zurückgewiesen werden. Unserer Redaktion liegt seine Nickelbrille vor, durch deren Gläser immer noch die Silhouette der nackten Uschi Obermaier schillert.

  Dieter Kunzelmann dagegen zeigte sich im Gespräch als weltoffener und interessierter Zeitgenosse. Wir trafen ihn in einem Café in Kreuzberg, wo man dem alten Mann seine Marotten nachsieht. Er rührt seinen Kaffee mit der Zigarette um und trägt unter dem Ledermantel nichts als in paar karierte Unterhosen. In seiner Damenhandtasche liegen noch immer einige selbstgebastelte Bomben aus dem Jahr 1969. "Könnte ich jederzeit zünden", murmelt er und erkundigt sich nach den Chancen auf die Umwandlung Deutschlands in eine Räterepublik. Auf Uschi angesprochen, wird er einsilbrig: "...konnte damals nicht ... musste immer an den Vietnamkrieg denken ... bourgoise Verklemmungen."

  Heute ist die Atmosphäre der Kommune eins leicht nachzubilden: Zu Hause sollte man alle Klotüren aushängen, um jede Form anal-spätkapitalistischer Geheimniskrämerei unmöglich zu machen. Eine frische Uschi Obermaier bekommen Sie bei jedem Privatsender, Clownkostüme im Fachhandel. Beim Übergang zum bewaffneten Kampf hilft das Handbuch der Stadtguerilla aus der Bücherei.
 

 

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