Berlin,
ein grauer Januartag. In einer Kaffeebude an der Oranienburger
Strasse nuckelt ein alter Mann an einem Plastikbecher. Der Kaffee
schwappt über und bildet eine kleine Lache auf dem Resopaltisch.
Dieses verdammte Zittern der Hand. Alles noch schlimmer geworden
in den letzten Tagen. Seit jeder über diesen Film redet. Allein
schon dieser Titel: "Mein Führer". Es gab Zeiten,
da waren diese Worte ein Glaubensbekenntnis. Und jetzt? Kommt
so ein Gaukler und bringt mit einer Clique verbrecherischer
Filmemacher dieses Machwerk in die Kinos. Der Mann trinkt
unlustig: Mein Gott, diesen Kaffee hätte ich nicht mal den
Truppen an der Ostfront zugemutet. Er blickt zu dem Verkäufer
hinüber, der ihm aufmunternd zulächelt: Diesen Orientalen
ist ja auch nicht zu trauen, aber wenigstens ziehen wir ideologisch
an einem Strang.
Minuten später kramt
er einige Münzen aus seinem verschlissenen Uniformärmel, bezahlt
und geht langsam, die zitternden Hände auf dem Rücken verschränkt,
ins Freie. Angewidert mustert er die zahlreichen Prostituierten. ...
hat uns alles der Russe geschickt ... wozu hat unsere Jugend
den Blutzoll entrichtet ... degenerierte Erfüllungspolitiker!
Auf dem Boden treiben einige Papierfetzen im WInd. Der Mann
hebt sie auf. Das Papier zittert. Verdammte Hand! Er
blickt auf ein Bild (siehe Bild) und liest: ... betonte der
Historiker, Lachen ersetze kein fundiertes Wissen über die Diktatur
... Das Herunterholen der NS-Führung in eine Satire sei kontraproduktiv
...

Er
runzelt die Stirn: Professorengeschwätz! Wer hätte es
damals gewagt, über den Führer Witze zu machen Dabei war die
Stimmung im Hauptquartier gar nicht schlecht. Anfangs. Zum Beispiel,
als der Duce Nordafrika angriff. Mein Gott, was haben wir gelacht,
über diese Operettensoldaten. Und heute? Die Afghanistanfront
ertsarrt, kein Bewegungskrieg mehr möglich. Ich habe ja gewarnt.
Da unten haben sich schon die Briten und der Iwan blutige Nasen
geholt.
Der Mann erreicht einen Wohnblock
in einem Ostberliner Stadtteil. Unwirsch verscheucht er
einige vietnamesische Zigarettenhändler. Er betritt den Hausflur
und streicht versonnen über einige an die Wand gekritzelte Hakenkreuze.
Ob Eva wohl gekocht hat? Broccoliröschen mit Semmelbröseln?
Ach, Eva. Damals nach dem Krieg in Südamerika haben sich die
Männer um sie gerissen. Aber das glaubt mir heute neimand mehr.
Auch, dass ich erst nach dem Krieg überhaupt vom Krieg erfahrhen
habe. Niemand will die Wahrheit wissen. Und jetzt dieser Film.
Helge Schneider, allein der Name. So einen Vornamen hätte ich
in der Staatskanzlei nie geduldet. Er kichert: Helge
Göring, man stelle sich vor. Eva bist du da? Aus der Küche kommen
Geräusche. Es riecht nach Broccoli. |