Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. Dezember 2006)
  

  Die vorweihnachtlichen Tage sind eine Zeit der Geheimnisse. Allem wohnt ein Zauber inne. Wir kaufen herrlich eingepackte Geschenke, die vor den Liebsten und dem Finanzamt in dunklen Nischen unserer Lebensräume versteckt werden. Wir schlagen in eisigen Nächten pochenden Herzens Tannen im Stadtpark. Und nach fröhlichen Weihnachtsfeiern im Kollegenkreis wachen wir nur mit einer Gummimaske bekleidet in den stark behaarten Armen des zwiebelatmigen Chefs auf. Dann glitzert die Welt. Aber just diese klandestinen Momente unseres sonst so nüchternen Alltags schienen zuletzt gefährdet.

  Schuld daran ist die Adventsjournaille, die jedes modrige Geheimnis lüften will (siehe Bild). Dabei sind Mauscheleien das Elixier des Lebens. Wir mauscheln, wo wir nur können. Im Büro. In Stundenhotels. Bei Siemens. Der subversiv-erotische Vorweihnachtsschummer sollte kritischen Hellsehern eine Lehre sein: Die finsternen Machenschaften hinter Litwinenkos Vergiftung, el-Masris Entführung, Joschkas Generalamnestie und Christiansens luzide Kasparowaffäre sind ein Segen für eine an Mysterien arme Gesellschaft. Wer sie entzaubert, erstickt die Seele. Wie mokiert sich einst Francis Bacon: "Wahrheit ist eine Braut ohne Aussteuer."



  Alles Narren. Was hilft es, wenn wir aus gut unterrichteten russischen Geheimdienstkreisen erfahren, dass vor langer Zeit die verträumte Sabine C. in einem holsteinischen Dorf den damals amtierenden flensburgischen Schachgrossmeister Wahnfried Schmatzke zuerst bei einem Simultanturnier und später auf seinem Zimmer bei einem unheimlichen Küstennebel traf. Er: Zug um Zug ein Grandseigneur des offensiven Vierfingerspiels und der ausdauernden Mittelpartien. Sie: Ein Damenopfer ohne Aussteuer. Was blieb, ist die nackte Wahrheit: Ein junges Ding mit Schachspielertrauma. Nie wieder d2-d4!

  Dabei könnte man viel von osteuropäischen Geheimdiensten lernen. So wie Ronald Schill, der an der Copabacana gesichtet wurde. Er hatte das Ab- und Auftauchen im Schoss einer bulgarischen Spionin und Ex-Frau von Udo Jürgens trainiert. Und die deutsche Ärztekammer freute sich wie viele andere in diesen Tagen über das neue EU-Mitglied Rumänien. Die ehemaligen Securitate-Mitarbeiter seien echte Vorbilder bei verdeckten Operationen und intransparenten Abrechnungen, hiess es auf einem munteren, streng privaten Chirurgenkongress bei einer Weihnachtsfeier mit Kittel-Bunnys. An dieser Verdunkelungstaktik sollten wir gerade in diesen besinnlichen Tagen nicht vorbeischauen: An die leidenden Sottisen, Pikanterien und Heimlichkeiten. Sie benötigen unsere Hilfe.
  

 

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