Die
vorweihnachtlichen Tage sind eine Zeit der Geheimnisse. Allem
wohnt ein Zauber inne. Wir kaufen herrlich eingepackte Geschenke,
die vor den Liebsten und dem Finanzamt in dunklen Nischen unserer
Lebensräume versteckt werden. Wir schlagen in eisigen Nächten
pochenden Herzens Tannen im Stadtpark. Und nach fröhlichen Weihnachtsfeiern
im Kollegenkreis wachen wir nur mit einer Gummimaske bekleidet
in den stark behaarten Armen des zwiebelatmigen Chefs
auf. Dann glitzert die Welt. Aber just diese klandestinen
Momente unseres sonst so nüchternen Alltags schienen zuletzt
gefährdet.
Schuld daran ist die Adventsjournaille,
die jedes modrige Geheimnis lüften will (siehe Bild). Dabei
sind Mauscheleien das Elixier des Lebens. Wir mauscheln,
wo wir nur können. Im Büro. In Stundenhotels. Bei Siemens. Der
subversiv-erotische Vorweihnachtsschummer sollte kritischen
Hellsehern eine Lehre sein: Die finsternen Machenschaften hinter
Litwinenkos Vergiftung, el-Masris Entführung, Joschkas Generalamnestie
und Christiansens luzide Kasparowaffäre sind ein Segen
für eine an Mysterien arme Gesellschaft. Wer sie entzaubert,
erstickt die Seele. Wie mokiert sich einst Francis Bacon: "Wahrheit
ist eine Braut ohne Aussteuer."

Alles
Narren. Was hilft es, wenn wir aus gut unterrichteten russischen
Geheimdienstkreisen erfahren, dass vor langer Zeit die verträumte
Sabine C. in einem holsteinischen Dorf den damals amtierenden
flensburgischen Schachgrossmeister Wahnfried Schmatzke
zuerst bei einem Simultanturnier und später auf seinem Zimmer
bei einem unheimlichen Küstennebel traf. Er: Zug um Zug
ein Grandseigneur des offensiven Vierfingerspiels und der ausdauernden
Mittelpartien. Sie: Ein Damenopfer ohne Aussteuer. Was blieb,
ist die nackte Wahrheit: Ein junges Ding mit Schachspielertrauma.
Nie wieder d2-d4!
Dabei könnte man viel von
osteuropäischen Geheimdiensten lernen. So wie Ronald Schill,
der an der Copabacana gesichtet wurde. Er hatte das Ab- und
Auftauchen im Schoss einer bulgarischen Spionin und Ex-Frau
von Udo Jürgens trainiert. Und die deutsche Ärztekammer freute
sich wie viele andere in diesen Tagen über das neue EU-Mitglied
Rumänien. Die ehemaligen Securitate-Mitarbeiter seien echte
Vorbilder bei verdeckten Operationen und intransparenten
Abrechnungen, hiess es auf einem munteren, streng privaten Chirurgenkongress
bei einer Weihnachtsfeier mit Kittel-Bunnys. An dieser Verdunkelungstaktik
sollten wir gerade in diesen besinnlichen Tagen nicht vorbeischauen:
An die leidenden Sottisen, Pikanterien und Heimlichkeiten. Sie
benötigen unsere Hilfe. |