Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (10. September 2006)
  

  Kaum jemand, der diese Woche nicht das Interview mit der 18-Jährigen Natascha Kampusch mitverfolgt hatte. Unglaublich: Die junge Frau gab sich selbstbewusst und locker, als hätte sie nicht das jüngste Album von Tokio Hotel, die Erfindung des Mars-Riegels mit ganzen Mandeln und das Sommerinterview mit Edmund Stoiber verpasst. Von ihrem Entführer wurde sie gezwungen, irgendein Kulturradio zu hören, das von dieser dramatischen Verbesserung seiner Zuhörerquote erst jetzt erfuhr. Natascha konnte nicht bauchfrei an Haltestellen herumpöbeln wie normale Altersgenossinnen, die Funkktion ihres rechten Daumen ist eingeschränkt, da sie nie SMS-Mitteilungen verfassen konnte.

  Ungewöhnlich ist das starke Interesse der Öffentlichkeit am Schicksal Nataschas. Denn hier zu Lande verschwinden ständig Menschen und Tiere. Viele Politiker lassen sich in ein Parlament wählen und melden sich dann überraschend nach vier, fünf Jahren wieder zurück. Obwohl sie keinen Kontakt zur Aussenwelt hatten und meist in den abgedunkelten Räumen der Parlamentsgaststätten vor sich hin dämmerten, wirken sie nach ihrem Auftauchen meistens konzentriert.



  Unsere Wissenschaftsredaktion hat längst einige Langzeitexperimente zu diesem Phänomen durchgeführt. Man begann mit Eintagsfliegen (siehe Bild), die für rund zwei Stunden aus dem Verkehr gezogen wurden. Die Tiere begannen erst zwei Stunden vor ihrem Ableben, das Erlebte zu verarbeiten. Erschüttert zeigten sie sich über den kulturellen Verfall und über die Herausforderung des internationalen Terrorismus.

  Damit nicht genug: Bereits kurz nach dem Krieg hatten sich mehrere Redaktionskollegen zu Recherchezwecken in ihre unterirdischen Büros zurückgezogen. Jetzt kamen sie wieder ans Tageslicht. Sie machten einen gesundheitlich besseren Eindruck als die Kollegen mit AUsgang, die nach acht Jahren Freiheit ausgelaugt und müde wirkten. Sie werden deshalb für die nächsten Jahre krankgeschrieben. Für Interview-Anfragen danach wenden Sie sich an unseren Chefredakteur.

 

Zurück