Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. September 2006)
  

  Wenn wir Ihnen, lieber Leser, auf dieser Seite ein besonders ekeliges Bild unterbreiten würden, etwa die Innenaufnahme einer bulgarischen Werkskantine oder den Wäschekorb eines Neonazis, würden Sie Ihrem Ekel gehorchend schnell weiterblättern. Ekel bewahrt uns durch starken Würgereflex vor Gift und Schmutz. Er ist ein Nebenprodukt der Evolution, um uuns vor Infektionen zu schützen, kurz: Ekel hält gesund.

  Offenbar ist diese Funktion im Zuge der menschlichen Entwicklung verloren gegangen. Spätestens seit EInführung des Privatfernsehens ekeln wir uns vor nichts mehr. Im Gegenteil: Das Abscheuliche zieht uns an. Die amerikanische Lehrerin Sylvia Branzei nützt das für ihren Unterricht aus und führte das Schulfach Grossology , also Ekelkunde ein. "Beim Zehennägelschneiden zu Hause wunderte ich mich, was das schwarze Zeug unter den Rändern wohl sei. Und ich hatte die Idee, solche unappetitlichen Dinge könnten doch auch meine Schüler interessieren", erzählte sie einem Wissenschaftsmagazin.

  Unsere Redaktion blickt stets kritisch auf das Schwarze unter den Zehennägeln von Politik und Gesellschaft. Bis heute aber wissen wir nicht, aus welchen Substanzen sich dieser Dreck zusammensetzt. Ein ähnliches Problem hatten diese Woche die Beamten der bayrischen Sonderkommission "Kühlhaus". SIe stellten Tonnen von altem Dönerfleisch sicher, das zur Weiterverarbeitung in ganz Deutschland bestimmt war. Nun ist Dönerfleisch (siehe Bild) bereits im Urzustand das Schwarze unter den Fingernägeln der Lebensmittelbranche. Sein Nährwert wird allerdings unterschätzt. Unsere Wissenschaftsredaktion fand nähmlich in einigen der gerösteten Bomben neben Zigaretten, Autoreifen und Maschinenöl auch Reste von Fleisch.



  Grossologen interpretieren die Anziehungskraft des Döners auf junge Esser mit der Darreichung. Die voluptuöse Form und die ausgestrahlte Wärme erinnern Kinder an die Geborgenheit im Mutterleib. Das stoische Drehen des Spiesses beruhigt Stadtneurotiker, das Herabfallen dünner Fleischschnipsel schafft die Atmosphäre eines Winternachmittags.

  Ekel ist also relativ. Jean Paul Sartre beschrieb das in seinem Roman "Ekel", dessen Protagonist von der eigenen Existenz angewidert ist. Er dreht sich selbst und schwitzt vor Abscheu. Womit sich der Kreis zum Döner wieder schliesst.

 

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