Dinge, so oder so

 

Die Dinge der WM (09. Juli 2006)
  

  Hubert G., der Sportjournalist, schläft. Es ist ein tiefer Schlaf, gespeist aus totaler Erschöpfung. Vier Wochen Fussball-WM liegen hinter ihm. Er hatte sie für ausgiebige Ausflüge in die Bars und Restaurants der Gastgeberstädte genutzt, ohne sich vom Gebrüll seines Chefredakteurs beeindrucken zu lassen. Am Ende hatte er, betrunken wie so oft, gegen einen der Betonfussbälle gekickt, die eine Künstlergruppe in Berlin verteilt hatte, und sich den Knöchel gebrochen. Seine Zentrale zog ihn ab und schickte eine betörend schöne Praktikantin los, um irgendwelche Story über die erotische Anziehungskraft der deutschen Kicker zusammenzufaseln.

  Egal, endlich Ruhe. Hubert G. träumt. Er liegt auf der Bahre, bis zum Hals zugedeckt mit einer Deutschlandflagge. Im Hintergrund dudelt die Nationalhymne. Irgendwer spricht: ... ja gut, sicherlich ist der Erfolg das Einzige, was zählt ... der Hubert konnte sich nicht durchsetzen ... keine Zukunft bei uns ... Fehleinkauf ... Es ist die Stimme von Franz Beckenbauer. "Was macht der hier? Und warum begraben sie mich? Habe ich gestern im Suff Selbstmord begangen?"

  Panik durchflutet den Reporter wie eine La-Ola-Welle. "Ich muss doch noch schreiben! Das Fazit, ich muss doch die WM-Bilanz ..." Geh weiter, lacht Beckenbauer. Tagdieb! Und verschwindet in einer Wolke aus Geldscheinen, die vom Himmel herabregnen. Hubert G. stöhnt. "Warum sind die so gemein zu mir? Und was macht dieser Ball an meinem Fuss?" Er klebt. Hubert G. schüttelt sein Bein. Nichts zu machen. Er tritt gegen die Kugel. Sinnlos. Wie die Beule einer exotischen Krankheit wächst das Runde aus seinem Fuss. "Den werde ich nie wieder loss."

  Draussen dämmert der Morgen. Das Spiel ist aus.

 

Zurück