Gedenktage
haben ja in vielen Kulturen ihre Bedeutung. In den Ländern des
Ostens begeht man den Tag des betrunkenen Traktoristen, des
abgestürzten Kosmonauten oder der verdienten Eisenbiegerin des
Volkes. In Deutschland hält sich immerhin noch die Institution
Muttertag, obwohl es nur noch vereinzelt Mütter gibt.
Deshalb wird es auch morgen so sein wie immer: Junge Männer
werden sich stöhnend um 10 Uhr aus dem Bett quälen, zur Tankstelle
stolpern, etwas von einem "Strauss halt, möglichst farbig",
murmeln, und insgeheim den Preis für acht Rosen in Bier umrechnen.
Die Adressatinnen haben in der Zwischenzeitz klammheimlich die
Bude des Gradulanten aufgeräumt und ein schmackhaftes Mittagessen
vorbereitet.
Die stolze Tradition des
Muttertags ist also völlig heruntergekommen. Das war mal
anders: In Deutschland war es 1923 der Geschäftsführer des Verbands
Deutscher Blumengeschäftsinhaber, der den Ehrentag mit Plakaten
in Schaufenstern ("Ehret die Mutter") bis hin zur
Muttertagspoesie den Weg ebnete. Süsswarenhersteller folgten
(siehe Bild). Ein Beweis, wie geschmeidig sich die Ökonomie
mit der Kultur verbinden kann.

Heute
ist die Mutter entmythologisiert und erfüllt nurmehr funktionale
Aufgaben. Von der Politik wird sie bei jeder Gelegenheit
in den fürsorglichen Schwitzkasten genommen und mit viel Geld
und guten Worten angestupst, endlich die Demografie zu stabilisieren.
Dafür müsste sie allerdings mindestens 18 Jahre voraus denken,
was in Deutschland seit Bismarck kein Poliiker mehr getan hat.
Wenigstens tut die Wissenschaft alles, um den Müttern ihr Dasein
zu erleichtern. Moderne Ultraschallgeräte melden bereits pränatal
die zu erwartenden Launen und Begabungen des Kindes, ob es zu
Alkoholexzessen neigen oder im Ausland studieren wird.
Die
Mütter wiederum verlassen sich auf die Technik und lassen
die Dinge laufen. Der jüngste Familienbericht beklagte,
dass sie ihre Zeit statt in die Bemutterung der Kinder zu sehr
in Freizeitaktivitäten investieren. Wer genau hinsieht, stellt
fest, dass sie deshalb soviel Zeit vor dem Computer verbringen,
weil sie die Glückwunsch-Grusskarten ihrer Kinder zum Muttertag
aus dem Internet herunterladen. Zum Kochen und Vorlesen bleibt
da keine Zeit mehr. |