Hysterische
Zeitgenossen lümmeln wochenlang auf der Couch ihres Therapeuten,
um mit ihrem Es über die Dinge der Woche zu räsonieren. Wer
sich die wöchentliche Therapeutensitzung nicht leisten kann,
ist hier Sonntag für Sonntag an der richtigen Stelle. Unsere
Wissenschaftsredaktion arbeitet sehr eng mit Seelendoktoren
in aller Welt zusammen, bevor sie ihre Ergebnisse veröffentlicht.
Die von Siegmund Freud unterstellte allgegenwärtige Triebhaftigkeit
ist der Redaktion in ihrer Arbeit allerdings völlig fremd. Unsere
Phobien passen mehr ins Feuilleton.
Nicht
umsonst gilt Freud als Mitbegründer des modernen Boulevardjournalismus.
Insbesondere in Grossbritannien, aber auch vereinzelt in Deutschland
wurden publizistische Werkstätten errichtet, in denen Menschen
Buchstaben aneinander reihen, die nach der Lehre des Psychoprofessors
als weitgehend austherapiert gelten. Den täglichen Kauf beispielsweise
des britischen Klatschblatts "Sun" würde Freud (siehe
Bild), der am Ende seines Lebens in London lebte, nicht mit
dem Wunsch nach Lektüre erklären, sondern mit der Sublimierung
eigener unterdrückten Triebe.

Das
Kindische steckt in uns Erwachsenen - und zwar in einem Mass,
das während unseres Lebens in etwa immer gleich bleibt. Beim
Erwachsenenwerden lernen wir, das Kindische in den Hintergrund
zu drängen. Was in früheren Generationen leichter war, als
Kriege und Katechismus drohten. Heute halten Unterhaltungsshows
Kinder und Erwachsene in der kindischen Welt gefangen.
Bemerkenswert
ist der Ausbruchsversuch von Heide Simonis. Die frühere Ministerpräsidentin
verarbeitet ihr Tanzstundentrauma öffentlich im Fernsehen,
womit sich Boulevardjournalisten in ihrem anschliessenden Therapiekreis
intensiv beschäftigen.
Simonis tut es gut,
ihre Symphatiewerte steigen von Woche zu Woche. Eine Therapieform
für die gesamte Politik. Wenn nichts mehr läuft - tanzen!
George W. Bush forderte unsere Bundeskanzlerin auf. Putin die
Condoleezza Rice und Claudia Roth ... na egal. Der Kongress
tanzt. |