Wie
hiess es damals? Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
Das waren noch Zeiten, als die schlesischen Weber zu globalen
Textil-Holdings fusionierten und walisische Minenarbeiter mit
türkischen Tagelöhnern den ersten Merger of equals, also eine
Fusion unter Gleichen, eingingen. Die Vereinigung, die Fusion
(von fusio = Guss, Ausguss, Ausfluss) übt seit diesen Pioniertagen
eine magische Faszination auf den Menschen aus.
Weltweit
wird fusioniert, dass die Schwarte kracht: Lucent Technologies
und Alcatel verhandeln über eine Fusion. Nikko Cordial Corp.
will mit der Tokyo Star Bank fusionieren. Schering und Bayer
haben sich auf einen Zusammenschluss geeinigt. Siemens liebäugelt
mit dem französischen Elektronikausrüster Legrand. Wer zu spät
kommt, findet niemanden mehr, mit dem er fusionieren könnte,
und muss die Kantine mit dem Fahrdienst zusammenlegen.
Befürworter
der Fusion berufen sich auf die Natur. Eizelle und Samenzelle
fusionieren auch in Zeiten niedriger Geburtenzahlen wacker,
wenn man sie lässt (siehe Bild). Übertragen auf die Wirtschaft
müssten nach den laufenden Fusionen massenhaft klitzekleine
Banken, vor sich brabbelnde Pharmaunternehmen und knuddelige
IT-Firmen auf die Welt kommen. Leider gehen die meisten von
ihnen schnell wieder ein, weil die Abstosskräfte zu gross sind.
Was da auch alles zusammenwachsen soll! Japaner, die sich vor
jeder zusammengeschraubten Kurbelwelle verbeugen. Franzosen,
die für den Gang auf die Toilette das Okay der Zentrale in Paris
einholen müssen. Deutsche, die bei Weihnachtsfeiern mit ihren
Sekretärinnen fusionieren, und Finnen, die in wichtigen Meetings
melancholisch vor sich hin schweigen.

Diese
kulturellen Unterschiede stören die Fusions-Geburtshelfer -
die Vermittler, Analysten und Berater - nicht. Sie lassen vergnügt
ihre glänzenden Äuglein durchs Land wandern, um die nächste
Verschmelzung vorzubereiten. Die Fusionierung unserer Gesellschaft
ist nicht aufzuhalten. In wenigen Jahren wird alles mit
allem fusioniert haben. Politik, Sport, Kultur und Gesellschaft
werden mit einer Stimme sprechen. Es gibt ein Dax-Unternehmen,
eine politische Partei, einen Bundesligaclub, ein Gedicht von
Goethe und ein Lied von Dieter Bohlen. Im allerletzten Schritt
fusionieren diese Kernbereiche dann mit sich selbst. Es entsteht
ein schwarzes Loch, in das der letzte Rest von Materie hineingesaugt
wird. Dann gibt es endlich gar nichts mehr. Und wir können uns
ausruhen. |