Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. März 2006)
  

  Diese Woche war viel vom Lazarus-Effekt die Rede. Forscher glaubten, eine neue Nagetierart entdeckt zu haben - eine Mischung aus Ratte und Eichhörnchen - die sich dann doch nur als Verwandte einer Tierart entpuppte, die schon vor elf Millionen Jahren ausgestorben war. Lazarus deshalb, weil laut Johannesevangelium Jesus den gestorbenen Lazarus wieder aufgeweckt hatte.

  Elf Millionen Jahre! So lange musste es nicht dauern, bis alte Ideen oder Nagetiere wieder nach oben geschwemmt werden. Frank Schirrmacher (siehe Bild), Mitherausgeber der der FAZ beispielsweise, hat jetzt sein zweites Buch veröffentlicht. Das erste handelt davon, dass es viele alte Menschen gibt. Und weil sich diese Erkenntnis allein schlecht verkaufen lässt, nannte er es das "Methusalem-Komplott". Sein neues Buch handelt davon, dass es immer weniger Kinder gibt. Es heisst "Lazarus", quatsch "Minimum".



  Immer weniger Kinder! Das wussten Sie bereits? Das kommt Ihnene bekannt vor? Sie finden das unoriginell? Ein bräsig-kassandrisches Herumunken? Miesepetrigen, aus Banalitäten gespeister Pessimismus? Elitäres Gequake? Spiessbürgerliches Granteln über die Verwerfungen unserer Gesellschaft? Nun ja.

  Vielleicht war es ja so: Schirrmacher sass in der Frankfurter Oper, als ihm der Kopf seines 89-jährigen eingenickten Sitznachbarn auf die Schulter fiel. In der Pause gelang es ihm nicht, ein Häppchen zu essen, weil die vielen Geh-Hilfen den Weg zur Bar versperrten. Überall Alte! Null Kinder! Tage später verliess er die FAZ für einen Waldspaziergang. Das gleiche Bild: Alte Eichhörnchen, alte Füchse, alte Hasen. Kein Jungtier, keine Familien. Die demografische Katastrophe!

  Und dann kam der erwähnte Lazarus-Effekt: Die deutschen Medien entdeckten, dass vor Millionen Jahren einfach alles besser war. Zu einer Zeit, da die Kinder noch gehorchten, gemeinsam gegessen wurde, die Fernseher nur drei Programme hatten und alle Kinder Blockflötenunterricht bekamen. Mit einem Wort: Sie entdeckten die bürgerliche Familie.

  Unsere Redaktion setzt sich an die Spitze der Bewegung: Wir geben allen Lesern jetzt eine Woche Zeit, eine Familie zu gründen. Ausserdem wird täglich gekocht und die Glotze bleibt aus. Wenn Sie noch können, schreiben Sie meinetwegen ein Buch.

 

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