Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Februar 2006)
  

  Talentierter politischer Nachwuchs ist dünn gesäht. Manches so genannte Nachwuchstalent ist bei genauerer Betrachtung ein politischer Hungerkünstler. Gierig nach Diäten, kümmert er sich nur ums äussere (Einheits-) Profil und lässt das innere verkümmern. Die jüngeren Modelle aus den Parteiagenturen beherrschen im ersten Anlauf durchaus den zügigen Schritt über den politischen Catwalk. Ihre Posen werden umso freizügiger, je mehr Kameras sie geil anblitzen. Aber ehrlich, mehr als zum Auftritt im Kreistag reicht's bei den wenigsten.

  Politik ist kein Beruf, allenfalls eine Berufung. Den Job haben sie nicht erlernt, sie haben sich an ihn gewöhnt. Folglich können sich die wenigsten so genannten Nachwuchstalente unterm Rampenlicht rechtzeitig bremsen. Sie purzeln über einen einzigen unbeholfenen Satz und danach gleich von der Bühne - geradewegs in den Vorstandsbereich einer Volksbank im Hinteren Heckengäu. In den Parteizentralen wartet fröhlich summend und brummend die nächste Generation Politbienen für die nächste Saison.

  Der einzige echte Shootingstar der Berliner Reichtagsszene ist Angie. Sie hat sich bekümmert über die prekäre Ausbildungssituation in der Branche geäussert. Privatsender haben das dankbar aufgegriffen und nach der TV-Show mit Model-Ausbilderin Heidi Klum bei der Kanzlerin angefragt: "Germany's Top-Politmodel by Angela Merkel". Wär das was?



  Merkel hat trotz vollen Terminkalenders akzeptiert. 20 der insgesamt 22 Bewerber wurden ausgewählt und nach Berlin eingeladen. Ihre erste Aufgabe war, Seniorengruppen aus Sachsen-Anhalt durch den Bundestag zu führen, sich zwei Stunden erzählen zu lassen, warum früher alles besser war, ohne das freundliche Gesicht zu verlieren. Anschliessend mussten die Kandidaten alle Reden Merkels aus den ersten Jahren als Ministerin unter Kohl lesen. 15 schieden danach aus.

  Die Übrigen nahm die Bundeskanzelerin mit in die USA, wo sie im Weissen Haus üben durften. Wie Heidi Klum mit ihren Models (siehe Bild) schien es Merkel irgendwann zu übertreiben. Medien meckerten und schrien Schikane. In grossen Anzeigen beteuerten die Kandidaten das Gegenteil: "Wir lachen, lernen und laufen - und kommen unserem grossen Ziel Tag für Tag einen Schritt näher." Niemand müsse hungern. "Im Gegenteil: Die Büffets sind superlecker." Mit ihrer Ausbilderin hätten sie eine "geile Zeit". Gerhard Schröder will sich nächstes Mal bewerben.

 

Zurück