Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. Januar 2006)
  

  Geht es nach aktuellen Umfragen, gehören Ärzte zu den beliebtesten Personengruppen in Deutschland. Übertroffen werden sie höchstens noch von Ärzten, die im Fernehen arbeiten. Was Wunder! Junge Ärzte müssen eine jahrzehntelange harte Ausbildung absolvieren, in der sie lernen, Bauchhöhlen nach vergessenen Instrumenten abzusuchen, komplizierte Formulare nach Mitternacht auszufüllen, mit zwei Händen gleichzeitig vier Patienten abzutasten und bei den Einladungen der Pharmaindustrie mit Messer und Gabel zu essen.

  Dennoch: Die überbordende Bürokratie ist den Medizinern verhasst. Jede ihrer Handreichungen wird katalogisiert und bewertet. Ein vertrauensvolles Augenzwinkern im Patientengespräch bringt vier Punkte, ein Klaps auf die Schulter zwölf. Eine ambulante Hirnoperation, von denen routinierte Ärzte bis zu sieben vor dem Mittagessen schaffen, wird von der Kasse mit 45 Punkten belohnt.

  Dass die Ärzte dagegen protestieren (siehe Bild), ist verständlich, aber ungewohnt. Sieht man in Deutschland, doch hauptsächlich Bauern, Karnevalisten oder Neonazis bei öffentlichen Kundgebungen. Viele Krankenkassen haben die gesundheitsfördernde Wirkung von Protestumzügen erkannt und statten jede angemeldete Demonstration mit Nordic-Walking-Stöcken aus. Damit werden auf mittlere Sicht praktisch alle derzeit bekannten Therapien, die ja die Hauptursache für die Kosten im Gesundheitswesen sind, überflüssig.



  Ein genereller Verzicht auf alle Behandlungen ist aber nur mit mündigen Patienten möglich. Diese reissen sich zusammen, wenn ihnen nicht wohl ist, legen sich bei ernsteren Beschwerden klaglos ins Bett und verschonen ihren Hausarzt mit lästigen Besuchen. Wenn alles nichts hilft, holen sie sich die Apothekenrundschau und kaufen sich im Internet die nötigen Medikamente. Diese werden dank eifriger Forschungsarbeit in nur wenigen Jahren so viele Nebenwirkungen haben, dass sie gegen alle derzeit bekannten Gebrechen eingesetzt werden können.

  Sollte diese Reform gelingen, kann das Geld der Krankenversicherungen ohne den lästigen Umweg über den Patienten direkt an die Kassenärztlichen Vereinigungen ausgeschüttet werden. Deren Funktionäre wiederrum könnten endlich ihrer Leistung gemäss mit Golddukaten, vierspännigen Kutschen und Doppelgaragen ausgestattet werden. Solange aber jeder mit ein bischen Kopfweh gleich zum Arzt rennt und diesem die Zeit stiehlt, muss weiter demonstriert werden.

 

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