Wenn
hier zu Lande von Brüsten die Rede ist, tauchen diese meist
in einer Boulevardzeitung und im Plural auf. Die dazugehörigen
Geschichten handeln fast immer von sonnenhungrigen Schulmädchen,
freizügigen Hausfrauen oder lebensbejahenden Sekretärinnen.
Die Brust des Mannes führt demgegenüber ein Schattendasein und
dient lediglich als idealisierte Landschaft für die Anlage von
Goldketten, durch die einige Schweisstropfen mäandern.
Seit
dieser Woche ist diese Ungleichbehandlung Vergangenheit. Der
zuvor weithin unbekannte TV-Moderator Carlo von Tiedemann (siehe
Bild) gab zu, er habe sich Fett aus seinen Brüsten absaugen
lassen. Zum ersten Mal Mal erschien eine Männerbrust im
Plural und wurde dem Weib äquivalent. Mehr noch: Mit der Aufnahme
des Kampfs gegen die eigene Erschlaffung hat Tiedemann sich
als gelehriger Schüler des Neoliberalismus erwiesen. Das Diktum
der neuen Ökonomie lautet nämlich: Werdet schlanker, beweglicher,
leidensfähiger! Die Arbeitsbienen der globalisierten Wirtschaft
sind nicht mehr dicke deutsche Mittelständler, sondern ausgemergelte
Inder und Chinesen, die kein Gramm Fett am Körper haben.

Weltweit
wird abgespeckt und verschlankt. Dem Motto der plastischen
Chirurgie gemäss: Form folows nature (die Form folgt der Natur)
werden die letzten Fettreste aus der Gesellschaft gepresst,
dass es nur so quietscht. Nach Brüsten, Schenkeln und Hängebacken
wird es bald anderen Besitzständen an den Kragen gehen. Doppelgaragen,
Rentenansprüchen, Gehhilfen. Durch deutsche Strassen werden
athletische Globalisierungsgewinner eilen, durch die Bürofluchten
und Einfamilienhäuser wird das gurgelnde Geräusch der Fettabsauger
dröhnen.
Dem Ansturm der Inder
und Chinesen können wir damit gelassen entgegensehen. Sie
werden auf ein Volk treffen, das ausgeruht und immer hungrig
ist. Es besteht gewissermassen aus lauter Tiedemanns, die drohend
ihre Brustmuskeln massieren. Das hat Folgen: Experten gehen
davon aus, dass in wenigen Jahren die Chinesen fett und erschlafft
sein werden und ihre Drecksarbeit lieber per Datenleitung nach
Deutschland schicken. Dort wird sie von uns bearbeitet. Und
damit hätte die Globalisierung endlich ihr Ziel erreicht. |