Schaufeln,
Kuchenförmchen, Plastikeimer. Diese Utensilien schweben
zurzeit wie ein Menetekel über dem politischen Geschehen. Journalisten
und sogar Professoren sprechen von Sandkistenspielen, wenn sie
nach bildhaften Beschreibungen für den Machtkampf in Berlin
suchen. Den Sandkasten als sozialkulturellen Lebensraum umwabert
der Geruch von Zank und eitlem Egoismus.
Nichts
könnte falscher sein. EIne Studie unserer Wissenschaftsredaktion
zeigt: Wer in der Jugend keinen Sandkasten hatte, zeigt später
Lernschwächen, neigt zu zu Autoaggression oder kauft sich einen
Geländewagen. Für die Generation 40 plus war der Sandkasten
die entscheidende Übergangsinstanz vom Kind zum Erwachsenen.
Gerhard Schröder beispielsweise hatte in seiner Jugend
zwar Zugang zu einem Sandkasten, besass aber keinen Spielzeugbagger.
Erst als erfolgreicher Rechtsanwalt war in der Lage, sich eine
dreiachsige Zugmaschine mit Turmdrehkran und Auflieger zu leasen.
 Edmund
Stoiber wiederum konnte im feinen Sand einer Wolfratshausener
Vorortsiedlung den Grundriss der Münchener Staatskanzlei massstabsgerecht
nachzeichnen und geriet ausser sich, wenn ihm ein Spielkamerad
mit der Schaufel dazwischen fuhr. Sein Zeigefinger konnte sich
bis zu 30 Zentimeter tief in den Sand oder in das Auge des Kontrahenten
bohren. Von Angela Merkel weiss man nur, dass sie unter
dem chronischen Mangel an Sand in der damaligen DDR litt und
wie alle Kinder beim Spielen von der Stasi argwöhnisch beobachtet
wurde. Guido Westerwelle wiederum wollte bis zu seinem
18. Lebensjahr überhaupt nicht in den Sand, weil er Angst um
seine Krawatten hatte, Dann überliess er den Sandkasten dem
Spiel der Marktkräfte und betrachtete anderntags das Resultat
der schöpferischen Zerstörung. Oskar Lafontaine kontrollierte
genau, ob einige Sandkuchen höher waren als seine. Die schlug
er kaputt und ging zufrieden zum Mittagessen.
Diese
prägende Anarchie ist längs Geschichte. Jeder Sandkasten
wird heute von geschulten Erzieherinnen überwacht, die abweichendes
Verhalten protokollieren und rügen. Spielzeugsoldaten sind verboten,
Bagger nur erlaubt, wenn ihre Tätigkeit in ein frühkindlich-geschlechtsneutrales,
antiaggressives Lernkonzept eingebettet ist. In den Sandkästen
der Zukunft wird es keinen Zank und Zwist mehr geben, auch marxistische
Sonderlinge, Bayern und andere Sandler dürfen mitspielen. Mit
anderen Worten: Es herrscht Stillstand. Sollten Sie also ein
Kind haben, das aggressive oder neoliberale Tendenzen zeigt,
setzen sie es sofort in den Sandkasten und warten ab. Meisten
verläuft die weitere Entwicklung im Sand. |