Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. September 2005)
  

  Irgendwann verbrannte er seine Fotoalben. Er ertrug seinen Anblick nicht mehr. Hunderte Bilder hatten sich angesammelt, Bilder von ihm auf dem Centre-Court: Sie schmeichelten ihm im ausladenden Grätschschritt, wie er seinen Schläger laut brüllend auf den Boden donnert. Er konnte damals machen, was er wollte, die Menschen jubelten ihm zu, sie schenkten ihm ihre Herzen und Kinder. Gnadenlos lutschten sie ihn aus. Bumm, bumm, bumm Boris. Er findet es heute zum Kotzen.

  Manchmal trifft er sich mit Michael in der Kneipe, beim Hüsli-Wirt. Auch sein amerikanischer Freund will nicht mehr erkannt werden. Die Schweiz tut viel für Promis, hat scharfe Visaregeln für Fans erlassen. In Zürich hat sich ein Promi-Getto gebildet. Der Musiker hat sich seit dem Kinderschänderprozess stark verändert, geht seither in die Muckibude, hat sich im Boxring die Nase breitschlagen lassen, um sich den Beauty-Doktor zu sparen. Die Höhensonne auf den Bergen, die er regelmässig erklimmt, hat seine Haut fleckig gemacht.

  Boris und Michael werden in der Schweiz für Brüder gehalten, aber nicht erkannt. Michael findet es gut, dass Boris Kinder hat. Er mag für sein Leben gern ihr Onkel sein. Boris schenkt Michael Jackson dann und wann ein abgetragenes Hawaiihemd.



  In den nächsten Tagen wird Andreas (siehe Bild) bei Boris einziehen. Er hat im Bahnhofsviertel nur eine kleine Zweiraumwohnung, in der es dann eng werden wird. Aber egal. Andreas braucht seine Unterstützung. Als TV-Moderator hat dieser sich jahrelang um ein kritisches Publikum bemüht mit Themen wie "Ich habe ihm einen geblasen - danach hat er mich einfach weggeworfen". Im Feuilleton der "Frankfurter Nachrichten" schätzte man seine subtile Art, Unterschichten so lächerlich zu machen, dass diese nach ihrem Auftritt davon überzeugt waren, komödiantisches Talent zu haben. Er, Andreas Türk, hat ihnen Mut gemacht, sich bei "Deutschland sucht den Superstar" zu bewerben.

  Was war der Dank? Er wurde prominent. Das ging so weit, dass er bei Nacht nicht einmal über eine Brücke laufen konnte, ohne sexuell belästigt zu werden. Boris konnte das gut verstehen. Deutschland hat er hinter sich - endgültig. "Ich bin nicht Allgemeingut, sondern werde erstmals als Mann und Mensch respektiert", hat er in seinem Abschiedsbrief geschrieben. Er verbrannte ihn mit seinen Fotoalben.

 

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