Frühmorgens
in einem Schloss nahe Saarlouis. Ein rundlicher Mann mit
unerhört glatter Gesichtshaut zupft sich die Haare zurecht.
Gedankenverloren taucht er seine Finger in einen Champagnerkelch
und malt einen Namen an den Spiegel. "Katja". Die
Schrift verdunstet rasch. Hundert SMS-Mitteilungen hat er gesendet,
langstielige Rosen ins ferne Dresden transportieren lassen.
Doch Katja bleibt stumm.
Er streicht sich
über die Wangen: Herrlich, diese Haut. Wer in der deutschen
Politik hat eine so glatte Haut? "Ihre frische Gesichtsfarbe
und ihr Mitleid mit uns Unterdrückten finde ich spitze",
hatte ihm eine Anhängerin aus Thüringen geschrieben. Mandy,
hiess sie, oder so. Ach, die Frauen. Er hatte sie ja schon satt.
Es gab Wichtigeres: Wieder mitzumischen, wieder alles besser
zu wissen als diese politischen Zwerge der Konkurrenzparteien.
Es läuft gut. Er kann zufrieden sein. Wäre da nicht dieses Zucken
der Lenden, dieses Aufbegehren von längst verschütteten Gefühlen.
Katja ist schuld, die blutjunge Idealistin aus dem Osten. Was
zählt da sein Alter! Seine Haut macht ihn schliesslich Monate
jünger. Und er hat, was Jüngere nicht haben: Kreditkarten, uralten
Rotwein, Bildung.
Ein ganz normaler Tag
liegt vor ihm: Treffen mit Hartz-IV-Empfängern, Besuch von
sozialen Brennpunkten, eine aufrüttelnde Ansprache in einer
sächsischen Mittelstadt. Man würde Schnitzel essen, Bier trinken
und eng zusammenrücken. Schnitzel und Bier. Er fühlt einen leichten
Würgereflex.

Alles
wäre nicht so schlimm, wenn Katja dabei wäre. Wie vor einer
Woche. Er hatte eine seiner aufrüttelnden Reden vor deklassierten,
graugesichtigen Globalisierungsopfern gehalten. Er stand auf
dem Podium, ertrank im Strudel seiner Worte, während die Schweissperlen
auf seiner glatten Haut umherirrten. Dann kam Katja, die
Vizevorsitzende der neuen Partei. Rote Haare, madonnenhafte
Züge und eine fast so reine Haut wie er. Sie sassen nebeneinander
(siehe Bild).
Welche Wärme diese Katja
verströmte! Keine Frau, die im Kapitalismus heranwächst,
ist so warm. Sie liest Bücher, anstatt sich den Hintern tätowieren
zu lassen. Ihre unschuldige Ernsthaftigkeit weckte schwüle Fantasien
bei ihm. Mit ihr am offenen Kamin sitzen, ihr die Vorzüge des
Barolo gegenüber dem Chianti zu erklären. Ihr die grosse Welt
zu zeigen. Und dann ... später ... vieleicht ...
Das
Handy klingelt. Nein, nicht sie. Sein Fahrer mit dem Wagen.
Wieder geht es in den Osten, wo viele Katjas darauf warten,
von erfahrenen Männern aus dem Westen in die Kunst der Kapitalismuskritik
und der Weinverkostung eingeführt zu werden. Der rundliche Mann
knotet die Seidenkrawatte. Schnitzel und Bier. Er schluchzt
leise. |