Im
Neuen steckt immer auch das Alte. Das erfuhren in den vergangenen
Jahren viele Mercedes-Fahrer, die gerade ein vermeintlich neues
Auto gekauft hatten. Ihr freundlicher und fantastisch gekleiderter
Verkaufsberater hatte die 400-seitige Betriebsanleitung und
die bereits abgefallenen Aussenspiegel in das mit Samt ausgeschlagene
Handschuhfach gelegt. Die Käufer jauchzten vor Glück, fuhren
los und hatten plötzlich das Gefühl, beim Schalten in einem
Topf mit Kartoffelbrei zu rühren. Dann leuchtete am Instrumentenbrett
die Nachricht "Houston, wir haben ein Problem" auf,
das Auto blieb grunzend stehen oder fuhr mit einem katzenartigen
Sprung mitten hinein in die dicht befahrene Vorfahrtsstrasse.
Später wurden die Reste von einem Abschleppfahrzeug abgeholt.
Diese
und andere Launen der mobilen Gesellschaft haben jetzt dazu
geführt, dass der alte Daimler-Chef Schrempp (Siehe Bild)
jetzt gehen muss. Er weicht einem Nachfolger, der einen
scheckheftgepflegten Schnurrbart trägt, selbst aber auch nicht
mehr ganz neu ist und beim Losfahren schon seltsame Geräusche
von sich gibt.

Was
neu scheint, ist also oft nur das aufpolierte Alte. Bei
der Raumfähre Discovery löste sich schon kurz nach dem Abheben
Teile der Aussenhaut und flogen samt dem Heftpflaster, mit dem
sie befestigt waren, zur Erde zurück. Die glänzende Fassade
täuschte über das wahre Alter hinweg. Weltweit wurden alle Raumfähren
in einer grossen Rückrufaktion in die Werkstätten geholt, weil
sie zusammengeklebt werden müssen. Bald sehen sie wieder wie
neu aus. Obwohl sie alt sind.
Es scheint,
als habe der alte Richard Wagner doch umsonst gemahnt. "Kinder,
schafft Neues", so lautete sein Diktum. Politiker, die
an die Macht streben, haben das verstanden. Sie geben sich innovativ
und strecken ihr kantiges Kinn nach vorne. Dass sie an anderen
Stellen bereits zerblättern und zerfasern, merkt niemand. In
Wagners Heimstatt Bayreuth sieht es ähnlich aus. Dort fuhren
diese Woche zwar alle Mercedes-Limousinen vor, die nicht in
der Werkstatt waren. Sonst allerdings gab es nicht viel Neues
zu sehen und zu hören. Wo man genauer hinsah, blättert der Putz.
Aber
vielleicht haben wir ja Glück, und ein Stückchen Discovery-Aussenhaut
schlägt mitten im dritten Akt von "Tristan und Isolde"
ein. Das wäre mal wirklich was Neues. |