Unter
den mausgrauen Städten Deutschlands war Wolfsburg, die einstige
Stadt des "Kraft-durch-Freude-Wagens", eine der
farblosesten. Seit den jüngsten Vorgängen im VW-Konzern hat
sich das geändert. Kraft, Freude und Lust durchströmen die Abteilungen
des Autokonzerns, statt Kostenmanagament regiert das grosse
Geld.
Wer hätte Wolfsburg je mit schönen
Mädchen, prunkvollen Hotels und Luxusreisen in Verbindung
gebracht? Wer hätte sich je vorstelln können, mit einem Passat-Kombi
(Siehe Bild) vor einem Nachtclub vorzufahren, wo ein uniformierter
Mulatte die Wagentür aufhält? Wer hätte gedacht, dass nur noch
einer von fünf VW-Beschäftigten früh aufstehen und Autos zusammenschrauben
muss,weil der Rest die Masshemden von Führungskräften aufbügelt
und die Firmenkreditkarten verwaltet?

Wolfsburg
zeigt: NIcht Produkte, sondern Emotionen bringen den Erfolg.
Volkswagen stand einst für redliches Schaffen, Verwurzelung
im Volkskörper, Klassenbewusstsein. Die Manager trugen dunkle
Anzüge und Krawatten, bei den die Farbe Graublau schon ein modischer
Akzent war.
Doch heute sehen Unternehmen
anders aus: Sie fahren mit Tretrollern zum Büro, um dann
mit Handy-Klingeltönen ein paar Milliarden zu verdienen. Die
Manager bei VW wussten um diese Bedrohung: Monatelang nutzen
sie Firmen-Tretroller, verzichteten auf Krawatten und liessen
sich Ziegenbärte wachsen. Es half nicht.
Doch
die jüngsten Enthüllungen haben alles geändert: Golf und
Passat stehen plötzlich für eine faszinierende Welt aus Luxus,
Prostitution und Arroganz. Berufspendler sitzen mit verträumtem
Gesicht in ihrem Golf-Diesel und achten nicht mehr auf die Verbrauchsanzeige.
Sie streicheln die Armaturen und stellen sich vor, es wären
die Wangen eines brasilianischen Schokolademädchens.
Wer
Autos verkauft, muss halt Träume verkaufen. Aber das klappt
nur, wenn alle an einem Strang ziehen: Bosse und Betriebsräte.
Wenn Wolfsburg Schule macht, hat Deutschland noch eine Chance. |