Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Juli 2005)
  

  Unter den mausgrauen Städten Deutschlands war Wolfsburg, die einstige Stadt des "Kraft-durch-Freude-Wagens", eine der farblosesten. Seit den jüngsten Vorgängen im VW-Konzern hat sich das geändert. Kraft, Freude und Lust durchströmen die Abteilungen des Autokonzerns, statt Kostenmanagament regiert das grosse Geld.

  Wer hätte Wolfsburg je mit schönen Mädchen, prunkvollen Hotels und Luxusreisen in Verbindung gebracht? Wer hätte sich je vorstelln können, mit einem Passat-Kombi (Siehe Bild) vor einem Nachtclub vorzufahren, wo ein uniformierter Mulatte die Wagentür aufhält? Wer hätte gedacht, dass nur noch einer von fünf VW-Beschäftigten früh aufstehen und Autos zusammenschrauben muss,weil der Rest die Masshemden von Führungskräften aufbügelt und die Firmenkreditkarten verwaltet?



  Wolfsburg zeigt: NIcht Produkte, sondern Emotionen bringen den Erfolg. Volkswagen stand einst für redliches Schaffen, Verwurzelung im Volkskörper, Klassenbewusstsein. Die Manager trugen dunkle Anzüge und Krawatten, bei den die Farbe Graublau schon ein modischer Akzent war.

  Doch heute sehen Unternehmen anders aus: Sie fahren mit Tretrollern zum Büro, um dann mit Handy-Klingeltönen ein paar Milliarden zu verdienen. Die Manager bei VW wussten um diese Bedrohung: Monatelang nutzen sie Firmen-Tretroller, verzichteten auf Krawatten und liessen sich Ziegenbärte wachsen. Es half nicht.

  Doch die jüngsten Enthüllungen haben alles geändert: Golf und Passat stehen plötzlich für eine faszinierende Welt aus Luxus, Prostitution und Arroganz. Berufspendler sitzen mit verträumtem Gesicht in ihrem Golf-Diesel und achten nicht mehr auf die Verbrauchsanzeige. Sie streicheln die Armaturen und stellen sich vor, es wären die Wangen eines brasilianischen Schokolademädchens.

  Wer Autos verkauft, muss halt Träume verkaufen. Aber das klappt nur, wenn alle an einem Strang ziehen: Bosse und Betriebsräte. Wenn Wolfsburg Schule macht, hat Deutschland noch eine Chance.

 

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