Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Juni 2005)
  

  Reihenweise wurden in dieser Woche so genannte Machtwörter gesprochen. Kanzler Schröder verbot seiner Partei, den Bundespräsidenten ins Dickicht niederer Parteitaktik und Vulgarität zu zerren. Er untersagte damit alles, was in der Politik noch Spass macht. Oben im Norden war es wenige Tage später der Veteran der Hamburger Zuhälterszene, Karl Heinz Schwensen (siehe Bild), der es sich verbat, immer noch als Negerkalle tituliert zu werden. Schliesslich sprach sich noch der Papst gegen die Homo-Ehe und das ganze andere unappetitliche Zeugs aus.


  Die Wirkung dieser Machtwörter liess indes zu wünschen übrig: Dem Kanzler streckten seine Parteilinken die Zunge raus, Negerkalle musste zur Kenntnis nehmen, dass niemand mehr von ihm Kenntnis nehmen will, und der Papst fand nur noch in jenen altkatholischen Gegenden Gehör, zu denen Schwulen im Zuge der Drittstaatenregelung die Einreise ohnehin verwehrt wird.

  Unsere Wissenschaftsredaktion zieht daraus einen Schluss: Ein Machtwort ist kein Ausdruck von Macht, sondern signalisiert deren Abwesenheit. Im Zuge der Globalisierung haben weder abgewirtschaftete Politiker, noch Kriminelle oder Päpste viel zu sagen. Die Macht liegt in den Händen der Wirtschaft. Der Beweis wurde ebenfalls diese Woche geliefert: Ein Siemens-Chef muss nur zerstreut das Wort "Geschenk" während seiner Sitzung zu seinen Abteilungsleitern murmeln, schon wird am nächsten Tag die ganze Handy-Produktion bunt eingepackt und in den fernen Osten geschickt.

  Wer sein Terrain gesichert und arrondiert hat, muss auf das fragwürdige Instrument des Machthwortes nicht zurückgreifen. Von Angelika Merkel hat man deshalb noch nie ein öffentliches Machtwort gehört. Es reicht, wenn sie unbotmässigen Parteifreunden ein Handyfoto ihren mecklenburgischen Seenplatte schickt, auf der sie nach Feierabend die Köpfe poltischer Gegner servieren lässt. Ob die noch die Zunge herausstrecken, spielt dann überhaupt keine Rolle mehr.

 

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