Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Mai 2005)
  

  Machtwechsel! Dieses Wort üben auf Historiker, Aktenzerhäcksler und Umzugsfirmen eine magische Wirkung aus. Sie erschnuppern schon Wochen vorher den Wind der Veränderung und lungern vor den Parteizentralen und Regierungssitzen herum. Auch diesmal wussten sie die Zeichen zu deuten: Schwalben flogen tief, Gänse fanden keinen Schlaf (siehe Bild), Kometen stürzten vom Himmel und Berge öffneten sich. Eine nervöse, fiebrige Hitze breitet sich im Land aus, in vielen Autohäusern kam es zu Hamsterkäufen.


  Verglichen mit der politischen Raserei früherer Machtwechsel sucht man heutezutage echte Tragödien vergebens. In einer Demokratie werden die Verlierer nicht enthauptet, sondern mit Übergangsgeldern beruhigt. Unruhen auf den Strassen gibt es nur, weil alle amtierenden Staatssekretäre noch einmal ihre Dienstautos fahren wollen. Die umworbene Macht ist ein sprödes Ding geworden. Sie behängt sich zwar mit Gratis-Bahntickets, Leibwächtern und einem pharaonenhaften Regierungssitz. Aber sonst? Ihre Mitgift ist der Mangel, dazu trägt sie ein Korsett an Gesetzen und Richtlinien, das weniger zu erotischen Raffinement als zum Triebverzicht einlädt.

  Dennoch: Von der Macht zu lassen ist bitter. Viele Parlamentarier brauchen einen geordenten Tagesablauf zwischen Sitzungen und Arbeitsessen, weil sie sonst verwahrlosen. Sie haben deshalb ihre Bewerbungen an Callcenter, Tankstellen, Universitäten und Redaktionen schin herausgehauen. Es kann also durchaus sein, dass Sie liebe Leser an dieser Stelle demnächst die Lebenserinnerungen eines SPD-Abgeordenten lesen. Titel: "Wie es wirklich war - der Streit um die Haltung des Bundestags zur beabsichtigten Cosac-Reform."

  Darüber hinaus aber werden vom kommenden Machtwechsel keine Welterschütterungen ausgehen. Es ist wie im richtigen Leben: Man wechselt so alle drei bis vier Tage die Unterwäsche. Doch das Gefühl, dass darunter die alten Probleme regieren, bleibt.

  Ach so, Sie wollen wissen, was Cosac heisst? Da müssten wir in der alten Bundestagsrichtlinie nachsehen. Falls sie wegen des Machtwechsel noch nicht zerhäckselt wurde.

 

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