Machtwechsel!
Dieses Wort üben auf Historiker, Aktenzerhäcksler und Umzugsfirmen
eine magische Wirkung aus. Sie erschnuppern schon Wochen vorher
den Wind der Veränderung und lungern vor den Parteizentralen
und Regierungssitzen herum. Auch diesmal wussten sie die Zeichen
zu deuten: Schwalben flogen tief, Gänse fanden keinen Schlaf
(siehe Bild), Kometen stürzten vom Himmel und Berge öffneten
sich. Eine nervöse, fiebrige Hitze breitet sich im Land aus,
in vielen Autohäusern kam es zu Hamsterkäufen.

Verglichen
mit der politischen Raserei früherer Machtwechsel sucht man
heutezutage echte Tragödien vergebens. In einer Demokratie
werden die Verlierer nicht enthauptet, sondern mit Übergangsgeldern
beruhigt. Unruhen auf den Strassen gibt es nur, weil alle amtierenden
Staatssekretäre noch einmal ihre Dienstautos fahren wollen.
Die umworbene Macht ist ein sprödes Ding geworden. Sie behängt
sich zwar mit Gratis-Bahntickets, Leibwächtern und einem pharaonenhaften
Regierungssitz. Aber sonst? Ihre Mitgift ist der Mangel, dazu
trägt sie ein Korsett an Gesetzen und Richtlinien, das weniger
zu erotischen Raffinement als zum Triebverzicht einlädt.
Dennoch:
Von der Macht zu lassen ist bitter. Viele Parlamentarier
brauchen einen geordenten Tagesablauf zwischen Sitzungen und
Arbeitsessen, weil sie sonst verwahrlosen. Sie haben deshalb
ihre Bewerbungen an Callcenter, Tankstellen, Universitäten und
Redaktionen schin herausgehauen. Es kann also durchaus sein,
dass Sie liebe Leser an dieser Stelle demnächst die Lebenserinnerungen
eines SPD-Abgeordenten lesen. Titel: "Wie es wirklich war
- der Streit um die Haltung des Bundestags zur beabsichtigten
Cosac-Reform."
Darüber hinaus aber werden
vom kommenden Machtwechsel keine Welterschütterungen ausgehen.
Es ist wie im richtigen Leben: Man wechselt so alle drei
bis vier Tage die Unterwäsche. Doch das Gefühl, dass darunter
die alten Probleme regieren, bleibt.
Ach
so, Sie wollen wissen, was Cosac heisst? Da müssten wir
in der alten Bundestagsrichtlinie nachsehen. Falls sie wegen
des Machtwechsel noch nicht zerhäckselt wurde. |