Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. Mai 2005)
  

  Denkmäler haben in Deutschland eine grosse Tradition. Schiller, Wilhelm und Bismarck beherrschen noch heute den öffentlichen Raum und blicken hochmütig auf das kleinkarierte Gewusel der Epigonen herunter. Diese wiederum zeigen sich meist unbeeindruckt von der historischen Verdichtung dieser Orte und können noch nicht einmal die lateinischen Jahreszahlen deuten.

  So einfach wird es ihnen in Berlin jetzt nicht mehr gemacht. Wer das neue Holocaust-Mahnmal erkunden will, sollte mindestens eine Banane und Mineralwasser als Proviant, Kompass und 120 Meter Bindfaden einpacken. Den Bindfaden verknotet man an einem Auto mit albanischem Kennzeichen oder an einem der vielen ratlos herumstehenden japanischen Touristen. Der Faden hilft, aus dem Stelen-Labyrinth wieder herauszufinden.

  In Berlin waren es zunächst Schulklassen, die auf den Stelen herumturnten oder Handy-Klingeltöne austauschten. Im Sommer ist damit zu rechnen, dass viele türkische Familien im Schatten der Betontürme ihre Grills aufstellen. Beim Nachhausegehen stossen sie auf versprengte Kulturjournalisten und Architekten, die etwas von von der Unwägbarkeit historischer Verdichtung und den abschüssigen Monologen der Gegenwartsempfindung in ihre Notizbücher kritzeln und beim Nach-oben-starren ihre Designerbrillen verlieren. Wer nicht aufpasst, stolpert über einen der vielen Bindfäden.

  Der Mensch stört also eher, soll aber nicht vom Besuch des Mahnmals abgehalten werden. Bei vielen Neonazis, deren schwach ausgeprägter historischer Orientierungssinn bekannt ist, muss man indes befürchhten, dass sie nicht mehr aus dem Areal herausfinden. Sie müssten unter hohem Aufwand gesucht werden.



  Darum schlagen wir ein dem Mahnmal angegliedertes Nebendenkmal vor, dass aus nur zwei in weitem Abstand plazierten Betonklötzen besteht (siehe Grundriss oben). Ein genauer Wegweiser in einfachem Deutsch weist die braunen Besucher ein. Beschmierungen sind ausdrücklich erlaubt und werden bei Bedarf vom Personal auf Schreibfehler hin korrigiert.

  Damit aber genug. Drei Folgen Speer, Krieg und Vertreibung haben wir in Büchern und Filmen erduldet. Jetzt darf der Schlussstrich gezogen werden. Schlussstriche erhalten Sie im gut sortierten Fachhandeln. Dort, wo es auch Bindfäden gibt.

 

Zurück