Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. März 2005)
  

  In der vergangenen Woche erreichten uns Bilder, die so abscheulich waren, dass sie normalerweise nur im Privatfernsehen gezeigt werden dürften. Es ging nicht um Krieg, Kindesmisshandlung oder um die Hochzeit von Prinz Charles. Nein, es ging um die Wurst, wenn der Kalauer hier gestattet sei. In deutschen Supermärkten, so war zu sehen, wird altes Fleisch der Packung entrissen, neu vermanscht, verschweisst und als frisch verkauft. Das alles in einem Land, das den Kult um die Frische so sehr huldigt, dass sogar die Ausbildung zum Frischemanager anbietet. Ein Land, in dem jährlich hunderttausende von Sahnejoghurts und Fertiggerichte aus Scham und Verzweiflung Selbstmord begehen, weil sie sich dem Verfallsdatum nähern.

  Offensichtlich kann kein so genannter Frischemanager das Ehrenwort eines Metzgers ersetzen. Wer früher einen Rinder-Bauchlappen kaufte, fächerte zuerst die Fliegen weg und trug das Stück dann eine halbe Stunde durch die Sommerhitze, ohne Angst vor Fäulnis und Verderben zu haben. Wer heute den Darm einer Industriewurst der Länge nach aufschneidet, findet schon mal ein paar Zigarettenstummel oder Reste eines Winterreifens. Andererseits haben viele Fleischwaren während ihrer Irrfahrt in Lastwagen quer durch Europa so viel von der Welt gesehen, dass jeder Metzger neidisch werden könnte. Am Ende schnurzeln sie dann vor Erschöpfung auf ein Drittel der Ursprungsgrösse zusammen. Und in der Pfanne schliesslich nähert sich ihr Zustand dem, was der Zen-Buddhismus als absolutes Nichts bezeichnet.

Unsere Wissenschaftsredaktion hat sich in den vergangenen Jahren sowohl mit fernöstlicher Philosophie als auch dem Verzehr von Fleich und Wurst beschäftigt (Siehe Bild). Unmengen von Mettwurstbrötchen, Cevapcici, Leberkäse und Leber ohne Käse wurden vertilgt. Die Ergebnisse wurden sorgfältig notiert und gingen umgehend verloren. Die beteiligten Kollegen sind aber mittlerweise aus der klinik entlassen und berichten Folgendes: Modernes Industriefleisch kann ungefähr so lange gelagert werden wie Rotwein. Gelbwurst, wie sie in jedem von der Schliessung bedrohtem Krankenhaus angeboten wird, entwickelt sogar erst nach vielen Jahren so etwas wie Geschmack. Kenner lassen sich durch grüne Ränder und die Schweissspuren an der Wurstoberfläche nicht vom Genuss abhalten.

  Wer aber auf Nummer sicher gehen will, sollte industriell gefertigte Fleischwaren zunächst äusserlich anwenden. Wenn nach einer Stunde keine Hautunreinheiten auftreten, guten Appetit! Was man sonst noch mit WUrst machen kann, lesen Sie im Magazinteil dieser Zeitung.

 

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