Max
Schmeling gestorben, Anderl Heckmair tot. Zwei Männer, zwei
echte Sportskameraden, wie es sie heute nicht mehr gibt. Der
Boxer starb 99jährig, der Erstbesteiger der Eigernordwand (siehe
Bild) mit 98. Das entspricht der durchschnittlichen Lebenserwartung
eines Bergvagabunden. Dennoch fragten uns viele Leser, wie man
diesen Beruf erlernt. Nur so viel: Voraussetzung ist viel frische
Luft und eine fettreiche Ernährung.
Den Bergvagabunden
früherer Tage sagte man eine schlitzohrige Überlebensfähigkeit
und brodelnde Vitalität nach. Nun wissen wir zwar beim Anderl
nichts über erotische Eskapaden nach dem Vorbild Luis Trenkers,
dessen markante Züge sich in den Gesichtern vieler Bewohner
der Südtiroler Seitentäler widerspiegeln. Zum Schnaps und zum
"Rauch" aber fühlte sich der Heckmair immer hingezogen.
Heutige Wellnessjünger schaudern bei der Vorstellung, wie sich
der Greis in 3000 Meter Höhe erst mal freihustete, was nicht
selten zu schweren Lawinenabgängen ins Tal führte. Von Ayurveda
und Obstsalat hatte Heckmair vermutlich nie etwas gehört. Und
wie man Gemüse schonend zubereitet, war ihm eh wurscht.

Dennoch
taugt er als Vorbild. "Durch meine geschärften Sinne
konnte ich immer wieder in Deckung gehen", sagte er über
seine Erlebnisse an der Ostfront. Diese Eigenschaft Heckmairs
ist unserer überhasteten Gesellschaft verloren gegangen. Menschen
treten in Hundekot, Manager verlieren die Übersicht, Politiker
stürzen in Fallgruben, die der Anderl schon in weiter Entfernung
gewittert hätte. Und wir Alltagsmenschen müssen täglich Berge
von Arbeit überwinden, schwierige Nordrouten auf dem Weg zur
Karriere erklimmen und Seilschaften durch die Eishölle der Innenstädte
führen.
Übertrieben, meine Sie? Messungen
unserer Wissenschaftsredaktion ergaben, dass Kleinkinder,
allein erziehende Mütter oder Journalisten täglich eine
ebenso grosse Energieleistung erbringen wie der Anderl am Eiger.
Aber das merkt natürlich kein Schwein. |