Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. August 2004)
  

  Pssst, liebe Leser und Leserinnen. Wir können diese Kolumne nur ganz leise schreiben, damit uns die Kollegen vom Sport nicht hören. Wir verstossen hier nähmlich gegen die Regeln der politischen Korrektheit und der Redaktionsdisziplin. Weil wir - ganz leise - Ihnen sagen, dass Deutschland bei Olympia auf dem fünften Rang im Medaillenspiegel liegt. Stand Samstagabend.

   Fünfter Platz. Jetzt ist es heraus. Vor uns liegen Länder wie USA, China und Japan. Nepal und die Mongolei halten wir auf Distanz. In der Redaktion tobt ein heftiger Streit über die Legitimität dieses Vergleichs. Sitzungen, Wortgefechte, Handgreiflichkeiten lösen sich ab. Man munkelt, dass einige Kollegen heute Nacht versuchen werden, diese Spalte wieder zu löschen. Wenn Sie hier also etwas anderes lesen, haben sie es geschafft.

  Der Streit um den Medaillenspiegel ist nicht neu. Sportjournalisten, karitative Frauenrechtlerinnen, Dritte-Welt-Gruppen und Anti-Globalisierungs-Aktivisten betrachten den Medaillenspiegel als Ausdruck eines neoimperialen, pseudokolonialistischen, kapitalistisch-dingsda-machanistischen und bourgois-dekadenten Wettbewerbfetischismus. Platz fünf.

  Die Frage ist: Soll man, darf man sich mit anderen Nationen vergleichen? Führt dies nicht wieder zu nationalen Ressentiments, die in den Schützengraben münden? Ist nicht der Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf die historischen Niederlage Deutschlands im olympischen Sackhüpfen 1912 zurückzuführen? Dürfen Staaten wie Nepal, deren Trainingsbedingungen durch den häufigen Schneefall eingeschränkt sind, einfach mit Ländern wie Deutschland verglichen werden, deren Armee fast nur noch aus Sportförderkompanien besteht? Platz fünf. Hinter Japan.

  Die Aufregung ist unnötig. Die Deutschen haben sich längst mit ihrem minderen Rang abgefunden, blinzeln ungläubig hinauf zu olympischen Grossmächten wie die USA und China und lächeln den nachrückenden Zwergstaaten aufmunternd zu. Davon abgesehen kann man ja nicht in jedes Land einmarschieren, das mehr Goldmedaillen hat. Das wäre eine Überdehnung unserer strategischen und logistischen Fähigkeiten. Pech für uns, dass Jammern, Demonstrieren und liegend Heucheln noch keine olympischen Disziplinen sind. Kämpfen und siegen dagegen gelten als Ausdruck einer mechanistisch-imperalen, pseudo-militaristischen ... Sie wissen schon.

  Platz fünf, also. Hinter Japan. Da wird man doch überlegen dürfen: Was haben die Japaner noch drauf? Zum Kugelstossen sind sie zu schwach, zum Schiessen zu höflich. Laufen? Lächerlich! Aber Vorsicht! Was macht die Ukraine? Die schlafen auch nicht. Trotzdem: Die Japaner packen wir noch!

 

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