Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (9. Mai 2004)
  

  Wir müssen an dieser Stelle einige Worte über das Grillen verlieren. Der gestrige Samstag wurde nähmlich von der Centralen Marketing Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft zum "deutschen Angrilltag" erklärt. An-Grilltag, genau. Wie jedes Jahr am zweiten Wochenende des Mai ertrinken Fleischstücke in Marinade, glost feuchte Holzkohle lustlos vor sich hin, streifen sich Männer schmuddelige Schürzen über. Aus den Gärten der Vororte steigt schwarzer Qualm auf, das Zischen von Fetttropfen übertönt die Fussballreporter aus den Radios. Geringverdiener kaufen Fleisch und Dreibeingrill an der Tankstelle, das Bürgertum bevorzugt Gaskartuschen, die bessere Gesellschaft lässt Krustentiere grillen und trinkt Champagner unter Zelten.

  Aber warum das alles? Freiburger Studentinnen haben eine Seminararbeit zum Thema "Grillen in der Moderne - Der Stellenwert von Fleisch und die Konstruktion von Gender" geschrieben und stellen unter anderem fest: Der Mann steht am Grill, auf Tischmanieren wird kein grosser Wert gelegt, und bei der Nahrung handelt es sich vorwiegend um Fleisch. Sie gähnen? Langsam, jetzt kommt's: Tiere, so heisst es weiter, werden nur danach beurteilt, ob sie für das Grillfest nutzen. Man spricht von Objektifikation. DIese Objektfikitation findet sich nach Meinung der Studentinnen auch im Umgang mit Frauen wieder: Sie werden Tieren gleichgesetzt, ihnen wird ebenfalls ein Objektstatus zugesprochen.

  Gender? Objektfikitationen? Rätselhaft. Im Alltag rühren Frauen doch eher die Barbecuesossen an und stacheln die Männer gegeneinander auf. "Du, warum klappt das beim Nachbarn mit der Glut viel besser?" Allerdings gibt es in deutschen Städten immer mehr Frauengrillgruppen, die sich der erotisch-feministischen Konnotationen beim Grillen von Würstchen voll bewusst sind.

  Unsere Wissenschaftsredaktion kommt zu dem Schluss, dass Grillen ein Akt bürgerlichen Ungehorsams ist. Schliesslich werden wir ständig angehalten, Fett und öffentliche Zusammenrottungen zu meiden. Beim rituellen Fleischauflegen tun wir das Gegenteil. Das Grillen ist ein verzweifelter Aufschrei nach Freiheit zwischen Doppelgaragen und Kohlrabibeeten. Ja zum Fett! Ja zur Kittelschürze! Ja zum Genuss lauwarmen Roséweins! Ja zum fahrlässigen Umgang mit Zündbeschleunigern! Doch ach, der Ausbruch ist kurz. Stunden später werden wir uns wieder unserer armseligen Existenz bewusst und blicken trübe in die verlöschende Glut. Aber dann fängt ja Fernsehen an.

 

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