Wir
alle spüren das Alter, den Verfall, die Müdigkeit. Immer
öfter schlafen wir bereits bei Vorabendfernsehen ein, vergessen
die Namen wichtiger Kollegen oder schütten beim Frükstück Mehl
statt Zucker in den Kaffee. Schönheit des Alters, Weisheit,
Seelenfrieden? Alles Trugbilder, die uns die Angst vor dem Tod
nehmen sollen. Die Dichter wussten es schon immer besser und
liessen sich vom Altersekel befruchten. Francois Villon beklagt
die Verwüstungen, die das Alter am Körper anrichtet. Beim italienischen
Kommödiendichter Ruzzante wird der Alte karikiert als "halb
krank, hustend wie ein verseuchtes Schaf, auf tausend Meilen
nach dem Tod riechend".
Allerdings gibt
es staunenswerte Versuche, dem Verfall ein Schnippchen zu
schlagen. Der gelernte Charmeur Johannes Heesters begeistert
auf der Bühne Menschen, die seine Pfleger sein könnten, Boris
Becker verfolgt trotz zunehmender geistiger Müdigkeit noch immer
interessiert das Tagesgeschehen, und wir selbst müssen uns von
grauhaarigen Senioren auf dem Tennisplatz erst den Parkplatz
uund dann die blutjunge Spielpartnerin wegschnappen lassen.
Das
erstaunlichste Beispiel greiser Sinnlichkeit bot vergangene
Woche ein 87-jähriger Spanier, der Vater wurde. Wir erwähnen
das nur, weil es sich um Julio Iglesias Puga, den Vater
des ebenfalls schon recht betagten Sängers Julio Iglesias handelt.
Julio, der Sänger, bekommt mit 60 Jahren also ein Brüderchen,
das die 47-jährige Mama auf dem Wege der künstlichen Befruchtung
empfing. Enthalten wir uns oberflächlicher Kritik und freuen
uns stattdessen auf die ersten Bilder des 93-jährigen Papas,
der mit seinem Sohn übermütig im Garten herumtollt, ihn zur
Einschulung geleitet und später, vieleicht 107-jährig, beim
ersten Liebeskummer berät.
Da mag Shakespeare
tausendmal Recht haben, wenn er schreibt: "Viele Greise
sehen aus, als wären sie schon tot; sie sind blass, langsam,
schwerfällig und träge wie Blei." Auch langsame Bewegungen
können, wie man sieht, zum Erfolg führen. Vor allem dann, wenn
der Bewegungsablauf hundertfach eingeübt wurde.
Hundertfach?
Das dürfte untertrieben sein. Denn Puga galt und gilt als
Frauenheld. Keiner, der es noch nötig hätte, in geckenhafter
Garderobe die behaarte Brust zu präsentieren. Nein, ein Mann,
der im Strassencafé herrisch den Gehstock hebt und einem vorbeiflanierenden
Mädchen mit leichtem Schlag sein Interesse zu verstehen gibt.
Puga
kann sich übrigens auf namhafte Vorbilder berufen. Vom seligen
Luis Trenker, dem Südtiroler Bergfex, erzählte man wahre
Wunderdinge, was die Zeugungskraft im hohen Alter betraf. Nach
dem täglichen Holzhacken und flüchtiger Leibwaschung habe er
sich noch in hohem Alter ohne Gehhilfe brünstig jeder Wanderin
genähert, die sein einsames Tal in Südtirol durchquerte. Von
physiognomischen Übereinstimmungen vieler Heranwachsender in
Trenkers Heimatregion spricht man, die weit über den braunen
Teint, die blitzenden Augen und die karierten Hemden harausgehen.
Im Gewühl der Madrider Innenstadt wären so blitzende Übereinstimmungen
zwischen jungen Iglesianern natürlich weit schwerer auszumachen.
Uns
bleibt nur die Erkenntnis: Unterschätzt die Alten nicht!
Würde man von jedem Gehstock eine DNA-Probe entnehmen und sie
mit den wenigen noch vorhandenen Kindern abgleichen, käme man
zu erstaunlichen Ergebnissen. Tod, wo ist dein Stachel? |